Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
 Bufo & Spallanzani

Bufo & Spallanzani

Titel: Bufo & Spallanzani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rubem Fonseca
Vom Netzwerk:
Katharina von Siena. Der Salamander, nebenbei bemerkt, hatte auch seinen eigenen verrückten Wissenschaftler namens Gesner, der den Exemplaren der Spezies, die er studierte, ebenfalls entsetzliches Leiden zufügte, um seine hirnrissigen Theorien zu beweisen, was ihm nicht gelang. Aber ich meinte nicht nur Irrsinn, wenn ich Spallanzani als Symbol für die autoritäre Arroganz der Wissenschaftler benutzte (vgl. mein Buch Josef Mengele, der Engel des Todes).
    »Das Buch wird bestimmt nicht einfach zu lesen sein«, bemerkte Juliana.
    »Diese Katharina, ist das Katharina die Große?«
    Was soll man auf eine solche Frage antworten? Die einzige Große Katharina war in Wirklichkeit Katharina von Siena, Caterina Benincasa, mit ihren im vierzehnten Jahrhundert diktierten Texten einzigartig in der Geschichte der Weltliteratur, eine große Schriftstellerin, aber Analphabetin. Sie ist die Schutzheilige Italiens, aber der Aspekt, den ich in meinem Buch verarbeiten wollte, war der Mythos von ihrem Gefeitsein gegen Feuer. Von Hagiographie hatte ich die Nase voll.
    Ich antwortete nur: »Nein.«
    In diesem Augenblick erschien Dona Rizoleta und sagte, das Abendessen werde aufgetragen.
    Das Abendessen war noch köstlicher als das Mittagessen, eine Großtat von Dona Rizoleta, die ich nicht für möglich gehalten hatte.
    In Butter gebratener Karpfen ohne jeden Erdgeschmack (auch ein Kunststück) und geschmortes Kaninchen mit Kartoffeln und grünen Bohnen. Es gab auch frischen Spargel, der einfach unbeschreiblich war, selbst für einen so fähigen Schriftsteller wie mich. Roma hatte sich an einen Tisch in meiner Nähe gesetzt, und da geschah es, während ich das zarte Kaninchenfleisch kaute, daß ich mir, allerdings ohne jede Geilheit, vorstellte, ich bisse in ihre blühenden Wangen. Ihre Jochbeine zeichneten sich erhaben ab, sie waren von der erdharten, reinen Kraftfülle der Früchte der Natur. Eine zum Vernaschen geeignete Frau, in jeder Hinsicht.
    Draußen war es kühler geworden, als wir mit dem Essen fertig waren. Man hatte den Kamin angezündet, und wir setzten uns alle in die behaglichen Sessel im Salon.
    »Ihre Manon hat mir sehr gut gefallen«, sagte ich zu Juliana. »Es war ergreifend, die Arie Adieu, notre petite table von Ihnen zu hören.« In Wirklichkeit war sie für die Rolle schon etwas zu alt, aber trotzdem war es beeindruckend, daß eine Frau mit einer solchen Gestalt so gut eine schöne, zarte Heldin spielen konnte. »Keine andere besitzt diese Sinnlichkeit, die diese Rolle verlangt«, sagte ich leise, damit Orion, der sich mit Vaslav unterhielt, es nicht hörte. Ich glaube, meine Abstinenz trieb mich allmählich zur Verzweiflung.
    »Ich mag Opern nicht, tut mir leid«, mischte sich Euridíce ins Gespräch.
    »Sie waren auch in der Verführungsarie des Priesters Des Grieux großartig«, sagte ich, ohne auf Euridíce einzugehen.
    »Manon gehört zu meinen Lieblingsrollen«, sagte sie im gleichen fast verschwörerischen Ton, den ich dem Gespräch eingangs gegeben hatte. »Aber Puccinis, nicht Massenets.«
    »Ich habe noch nie eine Oper gesehen«, sagte Euridíce. War sie zu dumm, um zu merken, daß sie überflüssig war? Und dazu hatte sie den Satz so laut gesagt, daß Orion aufhorchte und sich sogleich, wie immer kategorisch, in die Unterhaltung einmischte.
    »Das Beste an Massenets Manon ist der Satz von Guillot de Morfontaine: La femme est un méchant animal«, sagte Orion. Er mußte die ganze Zeit mein Gespräch mit seiner Frau beobachtet haben. Nach und nach schlossen sich alle der Unterhaltung an.
    »Mir gefällt Turandot besser«, sagte Roma.
    »Weil sie ihre Verehrer köpfen läßt?« fragte Orion.
    »Ja, und weil sie für die Männer unergründlich ist.«
    Und da saß ich nun, umgeben von Frauen, Frauen voller Kraft und Geheimnisse, dieser ihnen eigenen, unwiderstehlichen Attribute, und konnte nichts machen, fühlte mich gehemmt und unterdrückt.
    »Sie müssen sich den Himmel ansehen«, sagte Trindade, der von der Terrasse hereinkam. In der Hand hielt er eine Taschenlampe.
    Wir gingen alle mitten auf den Rasen vor dem Haupthaus. Trindade machte die Taschenlampe aus. In der Dunkelheit konnte man nicht das Gesicht der Menschen neben sich sehen. Glühwürmchen blinkten und verlöschten im Flug.
    »Der Himmel verändert sich von Stunde zu Stunde«, sagte Trindade. »Es ist neun Uhr, im Westen können Sie den Sirius sehen. Wir befinden uns zwischen dem zwanzigsten und dem fünfundzwanzigsten Breitengrad. Dieser Stern

Weitere Kostenlose Bücher