Bufo & Spallanzani
ich.
»Ja.« Sie biß in einen Toast, wobei sie ihre Zähne entblößte und mich ansah. Mir kribbelte die Haut.
»Haben Sie gut geschlafen?« fragte ich und stellte sie mir im Bett vor, auf der Seite, auf dem Bauch, auf dem Rücken liegend.
»Nein, ehrlich gesagt habe ich sehr schlecht geschlafen.«
»Das kommt bestimmt vom Sauerstoff«, stotterte ich.
»Vielleicht. Das Problem ist, wenn ich schlecht schlafe, werde ich sehr gereizt. Ich brauche mindestens acht Stunden Schlaf täglich.« Alle Frauen, die ich kannte, brauchten täglich acht Stunden Schlaf.
»Und Ihr Leben ist wie ein Roman«, sagte ich.
»Ist das eine Frage oder eine Feststellung?«
»Eine Feststellung.«
»Aufregender, als Sie glauben«, sagte sie. »Las Ihr Priester Messen?«
»Mein Priester?«
»Spallanzani.«
»Ja. Er las weiterhin Messen, auf Latein, mit umbrischem Akzent, und nahm Beichten ab, die Welt war voller um Vergebung bittender Sünder, das Konzil von Trient hatte, relativ gesehen, kurz zuvor stattgefunden. Sein Glaube stand nicht im Widerspruch zu seiner Wissenschaft, denn er besaß keinen Glauben, Gottes Absichten waren ihm nicht immer ganz deutlich. Warum hatte Gott Bufo geschaffen? Selbstverständlich nicht, damit er Ameisen fraß, die ihrerseits auch Kinder Gottes waren. Als eine Stufe in der Evolution des Menschen? Nun, zu jener Zeit drehte sich die Sonne noch um die Erde, und Darwin war noch nicht geboren. Deshalb sagte er: ›Inferno‹, nachdem er die Kröte dieser Tortur unterzogen hatte.«
»Ich will Ihnen etwas sagen, was der Maestro nicht hören soll: Ein Buch zu schreiben ist reichlich kompliziert«, sagte Roma.
»Quelle lourde machine à construire qu’ un livre, et compliquée surtout«, sagte ich.
»Das stimmt, et compliquée surtout.«
»Schreiben ist eine Frage der Geduld und Ausdauer, so ähnlich wie ein Marathonlauf, wo man sich ranhalten muß, aber keine Eile haben darf.« (Kaum hatte ich den Vergleich ausgesprochen, gefiel er mir schon nicht mehr. Ich hasse Sport.) »Und wo wir schon davon sprechen, was macht Ihre Geschichte?«
»Sie sind schrecklich«, sagte Roma, »mir so ein Thema zu geben wie – «
Ich gab ihr ein Zeichen, nicht weiterzureden, denn in diesem Augenblick kam Carlos in die Nähe unseres Tisches. Er hatte zum erstenmal sein weites Samtjackett ausgezogen und trug jetzt einen ebenfalls sehr weiten und langen Blouson, der ihm ein merkwürdiges Aussehen verlieh. Gleich darauf kam Vaslav.
»Haben Sie heute nacht eine Geige gehört?« fragte Vaslav.
»Das war der Maestro«, sagte Roma. »Unser Bungalow liegt in der Nähe von seinem.«
»Roma hat mich geweckt, damit ich die Geige höre«, sagte Vaslav.
»Stimmt nicht. Ich war wach, und da ich es nicht ertrage, wach zu sein, wenn jemand neben mir schläft, habe ich das zum Vorwand genommen und dich geweckt.«
»Erzähl, was du gesehen hast«, sagte Vaslav.
»Ich war aufgestanden und auf die kleine Terrasse des Bungalows gegangen, um besser zu hören. Und da sah ich einen Menschen mit einer Taschenlampe durch den Wald gehen.«
»Das kann Trindade gewesen sein. Oder irgendein Angestellter aus dem Haus«, sagte ich.
»Vielleicht. Aber der Betreffende bewegte sich wie ein Dieb. Mag sein, daß ich von der Geige beeinflußt war, die da mitten in der Nacht spielte. Verstehen Sie, es ist schön, aber gleichzeitig auch unheimlich, wenn eine Geige im Dunkeln spielt. Ich habe Angst bekommen, verstehen Sie?«
Vom Tisch der Musiker winkte Juliana allegro in meine Richtung; Orion auch, ma non troppo.
Trindade, in Stiefeln und Cowboyhut, kam in den Salon und teilte mit, die Pferde stünden bereit, falls jemand einen Spazierritt über das Refúgio machen wolle.
Wir gingen alle zu den Pferden, nur Suzy und Euridíce kamen nicht mit. Die beiden waren nervös, als hätten sie sich die ganze Nacht gestritten. Roma sagte, sie gehe einen Reitanzug anziehen.
»Wo ist der Rappe?« fragte Carlos.
»Berzabum? Der ist sehr wild. Reiten Sie den hier, der geht sanft.« Trindade wies auf einen Fuchs mit einem Stern auf der Nase.
Carlos sah den Fuchs an und sagte: »Ich möchte Berzabum.«
»Seu Carlos, den Berzabum kann nur einer reiten, und das ist der Einsiedler, ein Mann, der da oben, auf dem Pico, bei den Raubkatzen lebt, Küken züchtet und damit die Falken füttert. Er kommt einmal in der Woche her und reitet Berzabum, damit er nicht ganz verwildert. Seu Carlos, wenn Sie auf dieses Pferd steigen, werden Sie garantiert abgeworfen, und dabei
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