Bugatti taucht auf
sehr ungewissem Ausgang, wie Patrizia es genannt und sich dabei ein wenig lustig gemacht hatte, und Jordi ließ es sich gern gefallen, es erleichterte ihn auf eine seltsame Art, wenn sie ihn nicht ernst nahm –, selbst diese Gruppe verstieß gegen ihren Instinkt, der sie von Vereinigungen, die mehr als zwei Menschen einschlossen, strikt fernhielt. Nur ihre Familie, zu der nun auch Jordi zählte, war davon ausgenommen.
Als Studentin musste sie eine sehr gute Taucherin gewesen sein, das erzählte man sich jedenfalls, und Jordi konnte es sich vorstellen. Es gab ein Foto von ihr, auf dem sie im Tauchanzug zu sehen war, nach dem Tauchgang, die Maske hielt sie noch in der Hand, die Kopfhaube hatte sie ausgezogen, ihre kurzen roten Haare standen kreuz und quer ab, sie hatte erhitzte Wangen, als ob sie unter Wasser der Sonne begegnet wäre, und strahlte ein absolut glückliches Lächeln in die Kamera. Er liebte dieses Foto, speziell dieses eine, und fand sie darauf unwiderstehlich.
Was danach passiert war, wusste niemand außer ihr selbst, und sie redete nicht.
Es schien so, als hätte sie jetzt Angst vor dem Wasser, und Jordi gelang es nicht, ihr diese Angst oder was es auch war, zu nehmen oder zu schmälern, so dass sie, nach einer geraumen Zeit der Gleichgültigkeit, vielleicht der Fühllosigkeit gegenüber dem Wasser, sich wieder daran gewöhnen würde und einsehen, dass die Gefahr, die von ihm ausgehen konnte, zu vernachlässigen war; und darauf würde sie einen Zustand der Entspanntheit erreichen, der nach einer weiteren geraumen Zeit augenblickslang eine Ahnung von Genießen zulassen würde. So hatte Jordi es sich zurechtgelegt, aber in all den Jahren, in denen sie zusammen waren, hatte Patrizia nicht einen einzigen Schritt dahin gemacht. Als die Kinder noch klein waren, planschte sie mit ihnen am Seestrand, im Flachen, immer da, wo sie noch stehen konnte, sie zeigte, wie Schwimmzüge gehen, ohne jemals selbst den Boden unter ihren Füßen aufzugeben. Die Töchter sollten es lernen, von Anfang an sollte ihnen niemand den Spaß verderben. Sie sollten das Schwimmen selber verwerfen, wenn ihnen danach war. Das taten sie nicht, sie waren gerne im Wasser, und Jordi war derjenige, der sie auf dem Boot mit hinaus nahm, Patrizia kehrte ihnen den Rücken zu und ging nach Hause, sie sah einfach nicht hin. Sie diskutierte ihr Unbehagen nicht und ließ sich weiter auf nichts ein, schwamm auch mit Luftmatratze nicht hinaus und ging auf kein Boot. Rätselraten war Jordis Sache nicht. Einmal, im ersten Sommer, hatte er erwogen, sie überfallartig hochzuheben und festzuhalten, auf den nächsten Steg zu rennen, sie in die Tiefe zu werfen, hinterherzuspringen; aber rechtzeitig hatte er sich besonnen und vermutet, dass es die ganz verkehrte Art wäre, ihr den Schrecken austreiben zu wollen, indem er vorführte, dass es ihn überall geben konnte, und dass er, der Schreck, die nichtsahnende Patrizia selbst durch einen Menschen, dem sie so vertraute wie Jordi, jederzeit einholen und gefangennehmen konnte.
16
Etwas wie das, was Jordi jetzt vorhatte, hatte er noch nie geplant. Weder geplant noch mitgeholfen, es durchzuführen. Er brauchte eine kleine Mannschaft, auf die er sich unbedingt verlassen konnte. Er konnte nicht einschätzen, wie lange das Ganze dauern würde, und sie mussten zur Verfügung stehen, wenn er sie brauchte. Sie sollten außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit kommen, was eine zusätzliche Belastung war, und Jordi konnte ihnen kein Geld zahlen. Ob es jemals einen Lohn geben würde außer einem auch fraglichen ideellen, stand in den Sternen. Und zuletzt sollten sie schweigen können, denn an Gerüchten und Reportern war ihm vorerst nichts gelegen. Die Bergung war Ziel eins. Alles Weitere dann. Dachte er.
Nacheinander rief er Giuseppe, Piero, Ladislas und Berta an und verabredete sich mit ihnen am Samstagmittag in seinem Büro neben der Werkstatt. Giuseppe war sein Nachbar, er war Schreiner und Mitglied im Tauchclub Ascona. Einer der gelassensten und konzentriertesten Taucher, die Jordi kannte. Giuseppe würde er jederzeit sein Leben anvertrauen, allerdings nur, wenn der vorher nicht zu viel Dope geraucht hatte. Das war sein einziges Laster, und das machte ihn manchmal fahrig und reaktionslahm; aber tauchen würde er in dem Zustand niemals, so gut kannte Jordi ihn. Piero verdiente sein Geld als Model für Versandhauskataloge; er war mehr als ein Hobbytaucher, er verbrachte seine gesamte Freizeit unter Wasser; und er
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