Bugatti taucht auf
gelingt, es nach oben zu holen. Mir – es werden viele mithelfen müssen. Ich weiß es noch nicht genau – aber ich will es Luca widmen, das ist sicher.«
Umberto wandte sich ihm verblüfft zu.
»Ja, ja, natürlich. Das ist der Grund zu allem. Ich weiß nicht, in welche Beziehung ich es zu Luca und Lucas Tod setzen werde, aber es wird für Luca sein, da bin ich sicher.«
Jordi hätte den Satz am liebsten noch mal wiederholt, und noch mal und noch mal. In Wirklichkeit war er alles andere als sicher, aber er versuchte dringend, Wahrheit und Lüge zu vereinen oder Gewissheit und Zweifel oder Überzeugungswillen und Unsicherheit oder einfach nur Ohnmacht und Wunschdenken.
Umberto sah ihn eine Weile stumm an, dann nickte er langsam und sagte: »Ja, ich erinnere mich an das Auto.« Er sagte es so, als könne er sich in Wirklichkeit nicht entsinnen, je von dem Auto gehört zu haben, geschweige, dass er selber gerne von dem Wrack erzählt hatte.
»Das ist eine wirklich gute Idee«, fügte er noch hinzu, »die dürfen wir nicht vergessen.«
14
Der Zustand von Jordis Vater Emile verschlechterte sich. Sie hatten ihm einen dauerhaften Zugang in den Bauchraum gelegt. Man konnte etwas Hartes unter der Bauchdecke ertasten. Aus der Haut sah das Ende einer Kanüle hervor, die mit einem Stöpsel verschließbar war. Und Barbara sollte ihrem Mann jeden Tag abgesehen von dem Schmerzmittel, das er bekam, eine Anzahl verschiedener Tabletten geben. Jordi bezweifelte, dass sie das tat. Aber er wagte keinen der beiden zu fragen, warum sie es hatten geschehen lassen, dass ihm der Zugang implantiert wurde. Es musste eine ziemliche Prozedur gewesen sein; und sie hätten Emile nicht zwingen können. Er war inzwischen wieder zu Hause, sagte aber immer öfter, sie sollten ihn alleine im Zimmer oder wenigstens in Ruhe lassen. Er lag dann auf dem Sofa oder in seinem Bett, und Jordi konnte spüren, wie es in ihm arbeitete. Worüber Emile nachdachte, wusste Jordi nicht, aber er schien Zeit dafür zu brauchen.
Jordi erzählte ihm, dass er bei der Seepolizei in Camorino die Genehmigung bekommen hatte, das Auto aus dem See zu holen.
»Wem hat es gehört? Wie kam es in den See?«, fragte Emile und die Neugier riss ihn hoch, er setzte sich halb auf und ließ die Beine über den Bettrand baumeln. Seine beiden Besitzer hätten es im Stich gelassen, und dann sei es vom Zoll und vom alten Zippo in einer gemeinsamen konspirativen Aktion versenkt worden, erzählte Jordi ihm.
»Was glaubst du, wie viel davon übrig ist?«, fragte Emile, und die Frage war nicht rhetorisch.
»Vielleicht das Fahrgestell, vielleicht ein Rest vom Fahrgestell, vielleicht Speichen und Felgen, vielleicht ein Tacho, vielleicht ein Steuerknüppel, vielleicht nur einzelne Teile, die vollends zerfallen, wenn wir versuchen, sie an die Oberfläche zu holen.«
Jordi konnte nicht sagen, dass er vom Sinn seiner Unternehmung ganz und gar überzeugt war. Aber er musste tun, als wäre er es. Womöglich würde er einen Haufen Schrott ans Licht befördern, für den niemand die Hand heben und etwas bieten würde, weit davon entfernt, ihn irgendwo ausstellen zu können, und sei es auf der Promenade in Ascona, eine schadhafte, lädierte Skulptur, die der Witterung ausgesetzt wäre und langsam unter aller Augen verrotten würde. Aber Jordi wollte nicht jeden Tag aufs Neue darüber grübeln müssen.
»Ich denke, das Auto liegt da unten im Schlamm, unter Sand und Kies, und ist so gut erhalten, dass man es restaurieren könnte. Ja, das denke ich.«
Sein Vater sah ihn an mit geradezu beglückter Empörung. »Spinner«, sagte er nur. »Dämlicher Spinner. Furzdämlicher Spinner. So einen furzdämlichen Spinner hab ich in die Welt gesetzt, dumm wie ein Ast, verrückt wie eine kastrierte Ratte, eine selten hirnrissige Idee.«
Emile beschimpfte Jordi eine Weile, was ihm sichtlich gut tat, und schlief dann ein.
15
Jordi hätte Patrizia gern gefragt, ob sie sich beteiligen würde. Ob sie ihm helfen würde, das Auto zu bergen, und er hätte diese Frage, wenn er sie gestellt hätte, ganz praktisch gemeint. Aber es war ausgeschlossen, dass sie mit dem Tauchen wieder anfangen würde, selbst um dieser Sache willen nicht. Im Grunde, dachte Jordi, war sie ein Einzelgänger wie er, und wahrscheinlich hielten sie es deshalb miteinander aus; und selbst die Art von Gruppe, wie sie sich zur Bergung zusammenfinden würde – freiwillig oder quasi ehrenamtlich für ein verführerisch unlogisches Projekt mit
Weitere Kostenlose Bücher