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Bugschuß

Bugschuß

Titel: Bugschuß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hardy Pundt
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Philosophie oder Werte und Normen und ähnliche Fächer übernehmen können – aber man ist dann eben belastet, wie es so schön heißt.« Stöwers wurde unruhiger. Fragen, Fragen, Fragen. Er wollte mit alldem nichts mehr zu tun haben. Es war vorbei. Punkt. Wozu alles wieder aufarbeiten?
    »War das wirklich der Grund, warum man sie als Lehrer nicht weiter beschäftigen wollte? War es nicht eher so, dass …«
    Mit einem Mal sprang Stöwers auf: »Ja, verdammt, weil Marxismus-Leninismus nach der Wende auf dem Schutthaufen der Geschichte gelandet ist, und natürlich war ich Mitglied der SED!« Er zögerte einen Augenblick, schien plötzlich an Kraft zu verlieren, setzte sich wieder. »Und weil jeder, der so etwas unterrichtete und in der Partei war, sogleich als linientreuer Oberkommunist angesehen wurde. Und damit, direkt nach der Wende, Entschuldigung, verschissen hatte!«
    »Uns liegen da weitere Informationen vor …«, Tanja Itzenga versuchte, vorsichtig weiterzufragen. Wie würde ihr Gegenüber reagieren?
    »Das dachte ich mir!« Stöwers sank in sich zusammen, als drücke ihn die Last der Vergangenheit herunter. »Sie meinen meine Tätigkeit als IM.«
    Ein wunder Punkt wurde angesprochen, da wollte Tanja Itzenga Stöwers hinbekommen. Eine Weile schwiegen die Anwesenden, aber angesichts des langen Zeitraumes, der seit diesen Tagen vergangen war, glaubte Tanja Itzenga, weder Mitleid noch Bedauern empfinden zu müssen. Sie fragte weiter: »Ich denke, die Sache als Lehrer, da haben Sie auch aus meiner Sicht recht, letztlich konnten Sie nur das tun, was verlangt wurde. Aber die Arbeit für die Stasi, das war, ich meine … nicht unbedingt gefordert?«
    »Was wissen Sie denn!«, rief Stöwers. »Das waren Verhältnisse, die Sie gar nicht beurteilen können! Wenn man irgendwie weiterkommen wollte, musste man …«
    »Von mir aus in der Partei sein, aber nicht gleich IM werden. Außerdem kann ich das sehr wohl beurteilen!«, hielt Itzenga ihm entgegen. »Ich stamme auch aus diesem Land!«
    »Unter den damaligen Verhältnissen war es fast unmöglich, sich den Werbern der Stasi zu entziehen, geschweige denn, sich ihnen zu widersetzen.«
    »Wir hatten Verwandte in Ostdeutschland. Ich kann mich nicht entsinnen, dass da irgendwann einmal von Stasi-Tätigkeiten die Rede war, es ging also auch ohne«, warf die Emder Wachtmeisterin ein.
    »Das heißt doch gar nichts! Viele haben sich völlig rausgehalten, aber wenn sie erst einmal ins Visier der Stasi geraten waren …«, Stöwers wurde unterbrochen.
    »Ich kann mir schon denken, was jetzt kommt«, sagte Ulferts. »Es soll aber, da muss ich meine Kollegin aus Emden mal unterstützen, Bürgerinnen und Bürger in Ihrem Land gegeben haben, die es geschafft haben, sich den Anwerbeversuchen zu widersetzen.« Er wunderte sich, dass er ›Ihrem Land‹ gesagt hatte. »Und die haben die Konsequenzen getragen. Das war der schwere Weg, oder?« Er stockte, weil er merkte, dass er kompliziertes Terrain betrat. Vorverurteilungen waren schnell gemacht. Hatte er nicht neulich erst Bakker davor gewarnt? Leiser fügte er hinzu: »Andererseits kann ich Sie sogar ein wenig verstehen. Wer behauptet, das Ganze hätte er nicht mitgemacht … Es ist eben nicht jeder zum Märtyrer oder Widerstandskämpfer geboren. Den Druckmitteln der Geheimdienste erliegt so mancher, vor allem dann, wenn Dritte, möglicherweise vollkommen Unbeteiligte, mit in die Waagschale geworfen werden. Anders kann ich mir nicht erklären, dass Kollegen, Freunde, sogar Ehemänner ihre Ehefrauen und umgekehrt bespitzelt haben, nicht wahr? Wir wollen Sie da gar nicht persönlich angreifen, Herr Stöwers, das ist nicht unser Bier. Aber wir müssen wissen, ob Ihre Geschichte etwas mit den aktuellen Geschehnissen zu tun haben könnte. Genauso wie wir uns fragen, ob Sie vielleicht als Hausmeister in dem Werftbetrieb im Hafen Probleme haben? Mit Vorgesetzten, Kollegen, Arbeitern, was weiß ich? Gibt es Geld- oder Wettschulden? Spielen Sie?«
    Stöwers sah Ulferts verständnislos an. Wie der vom Höcksken auf’s Stöcksten kam, fand er sehr erstaunlich.
    »Spielen? Wie kommen sie denn darauf?«, antwortete er, da er nicht wusste, wie er sonst reagieren sollte.
    »Gambeln, mit 100 Euro Jetons, und so.«
    »Ich erinnere mich, dass man bei Mensch-ärgere-dich-nicht bei einer Sechs noch einmal würfeln darf, ansonsten habe ich mit Spielen nichts am Hut.« Stöwers’ Kraft ging dahin. Sein Leben war damals aus der Bahn geworfen worden,

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