Bugschuß
aufzusuchen?«
»Wer weiß«, pflichtete ihm Itzenga bei, überlegte ein paar Sekunden und schloss an: »Okay, lass uns hinfahren. Vielleicht kommt dabei mehr raus als bei unserem Gespräch vorhin.«
»Stöwers lässt niemanden an sich heran und will mit den alten Geschichten nichts mehr zu tun haben.«
»Das wollen viele nicht«, erwiderte Itzenga und dabei beließen sie es fürs Erste.
Die Hauptkommissarin griff zum Funkgerät. Hier knisterte und knackte es noch ab und an. Zwar war der Digitalfunk nun auch in Niedersachsen im Einsatz, aber bislang ergänzte er lediglich den alten Polizeifunk. Es war nur eine Frage der Zeit, wann TETRA, der internationale, digitale Standard für den Bündelfunk, bei der Polizei flächendeckend im Einsatz sein würde. Die Hauptkommissarin erfragte die Adresse des Schützenvereins und Ulferts bediente, während er gleichzeitig das Fahrzeug lenkte, unter den gespielt bösen Blicken seiner Kollegin das Navi. Er wusste, dass sie jetzt die Kampagne im Kopf hatte, die lange Zeit auf großen Plakatwänden an Bundes- und Landstraßen zu sehen war: Ein junger Mann, Zigarette im Mund, Handy ans Ohr haltend, in der anderen Hand eine Getränkedose, dabei gleichzeitig das Fahrzeug steuernd, dazu der Spruch: ›… und wer fährt?‹
»Bitte links einordnen«, vernahmen sie die Frauenstimme, die sie problemlos direkt vor die Eingangstür eines älteren Hauses leitete, über der in großen Lettern ›Schützengesellschaft Emden-Constantia‹ stand.
Die Auricher Polizisten parkten den Wagen unmittelbar davor. Ulferts konnte nicht umhin, seinen uralten Gag zum x-ten Mal zu wiederholen. Als sie Kurs auf die Eingangstür genommen hatten, drehte er sich plötzlich schwungvoll um, zielte mit dem Zündschlüssel auf den Wagen und drückte im gleichen Augenblick auf die Taste, die die Zentralverriegelung auslöste. Es klickte hörbar, er steckte den Schlüssel in die Tasche, drehte sich um und ging weiter seines Weges, als sei nichts gewesen.
»Manche Männer bleiben ihr Leben lang kleine Jungs«, versuchte Tanja Itzenga die Szenerie mit so viel Humor wie möglich zu nehmen. Es war aber keineswegs so, dass sie dieses Gebaren ihres Kollegen nicht längst kannte.
Ulferts öffnete die Tür zum Schützenhaus, Itzenga folgte ihm. Sofort waren Stimmen zu hören, links gab es eine Tür, durch die es offenbar in den Vereinsraum ging. Itzenga und Ulferts betraten einen größeren Raum, der aufgrund der Theke, der Tische und Stühle einen gewissen Kneipencharakter hatte; die Fülle an Fahnen, Urkunden und Regalen mit Pokalen sowie Bildern uniformierter Schützinnen und Schützen zeigten jedoch deutlich, wo man war. Mittlerweile war es früher Abend geworden und etwa 20 Personen bevölkerten den Raum. Einigen war aufgrund der Kleidung anzusehen, dass sie Schützen waren. Nicht, weil sie ihre Galauniformen trügen; denn längst gab es Kleidung, die, sei es durch Farben und Muster oder aufgrund von Symbolen, den Träger als Anhänger des Schießsports outete. Schießjacken und -hosen kamen ebenso modisch geschnitten wie farbenfroh daher, was auch für Kappen, Mützen und Stirnbänder galt. Die Kleidung sollte den sportlichen Aspekt betonen, nicht die uniforme Tradition. Weder Itzenga noch Ulferts konnten unter den Anwesenden eine Frau entdecken. Sie spielten aber nach Ansicht Tanja Itzengas eine wichtige Rolle in den Schützenvereinen, sodass die Zusammensetzung der Anwesenden an diesem Tag offensichtlich nicht repräsentativ war.
Itzenga folgte Ulferts, der sich den Weg zur Theke bahnte. Hinter dieser stand ein Wirt mit erstaunlich großem Kopf und ebensolcher Nase, deren rote Färbung den Kommissar an eine ›Säufernase‹ erinnerte, was ihm sogleich ungerecht vorkam, er kannte ihn ja nicht. Ulferts und Itzenga ließen sich ein wenig Zeit, um die Szenerie aufzunehmen. Der Wirt redete viel und mit verschiedenen Personen, die bereits länger an der Theke zu stehen schienen, manche bestellten auch nur kurz etwas und kehrten daraufhin zu ihrem Tisch zurück. Neben Bier wurden reichlich antialkoholische Getränke ausgeschenkt, was insbesondere Tanja Itzenga positiv auffiel. Sie hatte diverse Vorurteile gegen Schützenvereine. Aber es war eben nichts weiter als Voreingenommenheit, die unter anderem auf ein unschönes Erlebnis vor Jahren zurückging. Damals hatte sie beinahe einen angetrunkenen Schützen angefahren, der in dem Dorf, in dem sie damals wohnte, aus dem Früh-Gottesdienst in die gegenüberliegende
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