Bugschuß
einfach Bequemlichkeit. Er ist öfter mal mit Kremers los, auf Jagd, da war es praktischer, ein Gewehr zur Hand zu haben. Und wer fragt schon in so einer Meerbude. Erst als wir andeuteten, dass wir da mal aufkreuzen, war ihm klar, er musste das Teil wegschaffen. Nachlässigkeit darf es in diesen Dingen eben nicht geben! Da wird kein Auge zugedrückt und das ist gut so.«
»Und eine Anzeige deswegen hätte ihm seine Schützenehre ziemlich verdrießt!«
»Gelinde ausgedrückt. Er hat schließlich selbst gesagt: Ich will nicht das erleben, was Kremers widerfahren ist. So eine Schmach, an der man jahrelang herumknapst. Du musst dir wahrscheinlich immer und immer wieder dumme Sprüche anhören, obwohl du dich für einen vorbildlichen Jäger, oder eben Schützen, hältst. Das wird wohl Konsequenzen für die Vereinsmitgliedschaft haben, die illegale und unsachgemäße Aufbewahrung von Waffen. Allein das Foto seiner Festnahme in der Zeitung muss eine Höllenstrafe für ihn sein!«
»Wie viel mag der Typ aus dem Paddelboot dafür bekommen haben? Der hat doch ein Foto gemacht und es sicherlich an die Presse verkauft.«
»Es wird sich in Grenzen halten, er hatte ja niemanden aus dem englischen Königshaus vor der Kamera …Ulfert, wir müssen uns jetzt um andere Dinge kümmern! Meinertz muss gefunden werden. Unsere Theorie ist immerhin so weit, dass wir eine Fahndung verantworten können. Dass Meinertz Preise beim Schießen bei der NVA gewonnen hat, zeigt, wie gut er darin ist. Guck mal hier«, sie hielt ein vergilbtes Dokument hoch, »die Notiz eines Leutnants, der eine Belobigung wegen der vorbildlichen Schießleistungen des Feldwebels Ralf Meinertz vorschlägt!« Kurz schüttelte sie ungläubig den Kopf. »Das waren andere Zeiten, später gibt es ein Schreiben, in dem Meinertz Unzuverlässigkeit nachgesagt wird, noch bei der Armee. Der Mann muss einen Veränderungsprozess durchgemacht haben, schließlich war er später bei regimekritischen Gruppen aktiv. Aber wie er zu der Pistole gekommen ist, wissen wir nicht. Bevor wir die Pistole nicht in den Händen halten und einen Schusstest durchgeführt haben, ist nichts endgültig bewiesen!«
»Wir werden ihn, und damit die Waffe, sicher finden. Wir sollten uns aber beeilen, bevor er sich noch absetzt.«
»Was mich umtreibt, ist, dass er einen Hass auf Stöwers haben wird – sonst würde er ihm nicht auflauern und schießen. Das kann man nachvollziehen. Aber den hat er schon, seitdem er weiß, wer überhaupt für seine Haft verantwortlich war. Das wird er zwar erst nach der Wende herausgefunden haben, bei der BStU haben sie gesagt, dass er sich erst 94/95 ernsthaft um Akteneinsicht gekümmert habe. Aber warum hat er sich nicht schon damals aufgemacht, seinen Denunzianten unter Druck zu setzen oder gar zu beseitigen?« Die Hauptkommissarin schob die Maus hin und her. Sie sah dauernd auf ihre Uhr, schien ein wenig nervös zu sein.
»Frag mich was Leichteres! Die Adresse Meinertz’ haben wir, gibt’s auch eine Telefonnummer?«, fragte Ulferts.
»Wir haben seit Kurzem seine Handynummer!«
»Woher?«
»Ich habe die Kollegen in Emden gebeten, Meinertz in seiner Wohnung aufzusuchen. Gar nicht weit weg von Wientjes Haus! Er war nicht da, aber seine Nachbarin. Eine verängstigte, alte Dame, die überhaupt nicht nachvollziehen konnte, wieso die Polizei bei ihrem ruhigen, netten, manchmal aber sehr verschlossenen Nachbarn aufkreuzte. Sie hat von selbst erzählt, dass ihr Nachbar ihr irgendwann mal seine Handynummer dagelassen hatte, weil er eine Postsendung erwartete, für den Fall, dass sie früher käme und er nicht zu Hause wäre. Dann hätte sie ihn anrufen sollen. Das Ganze ist nicht so lange her – die Handynummer sollte also stimmen.«
»Hast du es versucht?«
»Ich konnte es mir gerade noch verkneifen. Es wäre ja eine Warnung für ihn gewesen.«
»Wir können trotzdem eine Handyortung vornehmen.«
»Klar, ist alles im Gange, ich habe …«, doch Itzenga wurde jäh unterbrochen, denn die Tür flog auf und Bakker stürzte herein.
»Herr Ulferts, oh, Entschuldigung Frau Itzenga, Moin, ich hatte Sie gar nicht gesehen!«
»Moin, Bakker, was gibt’s?«, fragte Ulferts. Wenn Bakker so daherkam, hatte er eine Neuigkeit, manchmal weniger, manchmal sehr wichtig.
»Es gibt jemanden, der den Schützen am Wall in Emden gesehen hat. Sehr wahrscheinlich jedenfalls. Sie hat sich gemeldet, nachdem sie in der Zeitung von dem Vorfall gelesen hat.«
Itzenga und Ulferts sahen
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