Buh: Mein Weg zu Reichtum, Schönheit und Glück (German Edition)
»Warum sind Sie hier?«, hat mich der Professor gefragt. Und ich habe geantwortet: »Ich muss mal ausschlafen.«
Das stimmt.
Aus meiner Sicht jedenfalls.
Gut, zu einer psychologischen Beratung habe ich mich dann doch breitschlagen lassen. Darum sitze ich wieder diesem jungen Facharzt gegenüber, dem mit dem Ringbuch auf den Knien.
»Sie haben so eine …«, er sucht nach dem Wort, »… spöttische Art.«
Das, finde ich, ist ein Treffer. Mir gefällt das Wort spöttisch. »Das kann mein Problem im Umgang mit anderen Menschen sein«, sage ich.
Der Arzt freut sich. Er scheint den Dialog mit mir in den Griff zu bekommen. »Warum?«, fragt er.
»Warum was?«
»Warum sind Sie so spöttisch?«
»Vielleicht, weil ich den Menschen helfen will.«
»Sie wollen den Menschen helfen?«, fragt der Psychologe und betont dabei »helfen«, während er parallel etwas notiert, wahrscheinlich: Will den Menschen helfen.
»Ich finde«, beginne ich meine Auslassung, »dass man sehr oft miteinander in Situationen gerät, die, wie soll ich es sagen, irgendwie ausweglos sind, Situationen, die traurig sind, also zu traurig, um sie vor Ort zu bewältigen, in einem Dialog oder so, verstehen Sie?«
Der Psychologe verneint.
Ich merke, dass ich mich verzettelt habe, und versuche, zurückzurudern. »Also jetzt hier zum Beispiel, dieser Dialog zwischen uns, der ist so was …«, sage ich. Ich betrete gefährliches Terrain. Jedes weitere Wort landet in seinem Ringbuch, das weiß ich. Ich habe mich zu einer Vertrautheitsgeste hinreißen lassen, das könnte mir später leidtun wie ein zu frühes »Du«. Irgendwie bin ich auch in einer gedanklichen Sackgasse gelandet. Ich müsste über die Mauer am Ende der Straße klettern. Aber es macht keinen Sinn mit diesem Mann hier zu sprechen, er wird mich nicht verstehen, er kann es nicht. Mein Vater kann das. Aber er ist jetzt nicht hier. Mit ihm telefonieren wäre jetzt gut. »Mir steht doch ein Telefonat frei, oder?«
»Wir sind hier doch nicht bei der Polizei«, sagt der Psychologe. Er versteht meinen Witz nicht, aber er lächelt, immerhin. »Und das hier ist auch kein Verhör.«
»Na gut«, sage ich, »aber ich sage ab jetzt nichts mehr ohne meinen Anwalt.«
»Wie meinen Sie das?«, fragt der Psychologe, jetzt schon etwas strenger.
»Ich versuche es Ihnen mal so zu erklären: Wenn ein Mensch stirbt, dann ist das doch traurig, oder?«
Das Kopfnicken des Psychologen wirkt unsicher.
»Aber wenn ein Mensch geboren wird, dann ist das erfreulich. Tod traurig, Geburt erfreulich. Warum ist das so?«
Der Psychologe weiß nicht, worauf ich hinauswill. Sicherheitshalber notiert er etwas. Schaut mich an und notiert noch mal etwas. »Und daher kommt Ihre spöttische Art?«
»Mir ist das peinlich«, sage ich.
»Was ist Ihnen peinlich?«, fragt mich der Psychologe. Er spürt, dass er da einer Sache auf die Spur kommt.
»Alles!«, sage ich. »Eigentlich ist mir fast alles peinlich.«
Jetzt geht der Stift des Psychologen über das Ringbuch wie das Schiffchen einer Nähmaschine.
»Diese Gesetzmäßigkeiten sind mir peinlich. Dass auf alles eine Reaktion folgt, die man besser voraussagen kann als das Wetter. Als hätte man von Geburt an eine Liste mitbekommen, auf der alles genau festgelegt ist, Regieanweisungen, die alles eins zu eins festlegen, Reaktionen, die den geringsten Widerstand bedeuten, in allem was wir tun. Erfolgreiche Filme funktionieren so.«
»In allem?«
»Aber es gibt eine Notbremse«, sage ich, »sie hängt ganz dicht vor unserer Nase und man kann sie ergreifen und ziehen und dann …«
»… hält der Zug an?«, fragt der Psychologe und wirkt jetzt selbst spöttisch.
»Ja, der Zug stoppt, alles fliegt durcheinander und dann stürzen sich alle auf den, der die Notbremse gezogen hat. Warum hast du die Notbremse gezogen, schreien sie ihn an, während sie ihre Sachen ordnen. Warum hast du den Zug angehalten, fragen sie und rütteln an ihm herum. Ich weiß nicht, verteidigt der sich, ich weiß es nicht, sie hing da, ich musste sie einfach ziehen.«
Der Psychologe nickt ins Ungewisse.
»Kennen Sie das nicht?«, frage ich ihn. »Sie sitzen in einer Oper und es ist wunderschön?«
»Ja, ich gehe manchmal in die Oper«, antwortet er. Während der Stift über das fünfte Blatt seines Ringbuchs rast, huscht der Anflug einer schönen Erinnerung über sein Gesicht.
»Und haben Sie dann nicht auch manchmal das Verlangen, an der tiefgründigsten, ernsthaftesten Stelle einfach mal
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