Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
von Feuchtwalde stand vermutlich ein dürftiger Winter bevor. Dag war erleichtert, als er erfuhr, dass die Ve r luste in den Knochensümpfen relativ gering gewesen waren. Allerdings schien noch niemand zu wi s sen, ob dasselbe auch für diese Stadt der Landleute galt, die das Übel als Erstes übe r nommen hatte.
Drei der Einheimischen erklärten sich bereit, zu ble i ben und die essenzverknoteten Formwirker und ihre glücklosen Möcht e gernretter zu pflegen. Die Formwirker hatten jetzt alle einen Namen und eine Lebensgeschichte, die die zurückgekehrten Flüchtlinge Dag aufgenötigt ha t ten. Er war nicht sicher, wie hilfreich das war.
Auf jeden Fall schickte er die erste Schar Einheim i scher mit einer Eskorte von Streifenreitern auf den Weg und mit der ernsthaften Bitte, ihm Heiler oder andere fachkundige Personen zu schicken, die das tödliche Rä t sel möglicherweise auflösen konnten. Allerdings erwart e te er aus dieser Richtung nicht viel Hilfe, da jeder Hei l kundige in Feuchtwalde vermutlich selbst schon in A n forderungen ertrank.
Ein wenig mehr Hoffnung setzte er in die komplette Streife aus fünfundzwanzig Reitern, die er an diesem Nachmittag noch nach Hause schickte. Er trug ihnen auf, am Hickory-See auf die drohende Knappheit an Wintervorräten bei ihren Nachbarn hi n zuweisen, und gab ihnen auch eine deutlich eindringlicher fo r mulierte Bitte mit, Hoharie oder einen gleichermaßen fähigen Heiler zu se i ner Hilfe zu schicken.
Für den weiteren Aufenthalt in den Knochensümpfen wählte Dag die – für Streifenreiter - Verhältnisse – besten Heiler aus, die sein Trupp zu bieten hatte. Hinzu kamen mehrere altgedie n te Mütter und Großmütter, bei denen er davon ausging, dass sie bereits wussten, wie man Leute am Leben hielt, die weder reden noch gehen noch selbst essen konnten. Zumindest wussten sie es bei Kindern. Den Rest können sie sich aneignen.
Er hatte allerdings nicht erwartet, dass sie ihre Fähi g keiten bei ihm unter Beweis stellen würden. »Dag «, stel l te Mari in ihrer üblichen unverblümten Art fest. »Die Tränensäcke unter deinen Augen sind so schwarz, dass du wie ein verdammter Waschbär aussiehst. Hast du dich eigentlich schon untersuchen lassen? «
Er hatte daran gedacht, in aller Stille einen der besseren Wun d heiler der Truppe außer Reichweite des Hains zu bringen und sich von ihm untersuchen zu lassen. Zu seinem Verdruss e r kannte er, dass Mari ganz am oberen Ende dieser Liste stand nicht nur wegen Erfahrung und Essenzgespür, sondern auch, weil sie andernfalls ohnehin jeden anderen Heiler festnageln und sämtliche Befunde innerhalb weniger Minuten aus ihm he r ausquetschen würde. Also konnte sich Dag die Zwischenschri t te auch gleich sparen.
»Dann komm «, seufzte er. Sie nickte in grimmiger G e nugtuung.
Er führte sie zu dem Baumstumpf, auf dem er die ve r gangene Nacht gesessen hatte, nahm wieder Platz und öffnete sich b e hutsam. Das dauerte mehrere Minuten, und am Ende saß er so vornübergebeugt da, dass sein Kopf auf den Knien ruhte. Tut immer noch weh.
Er hörte ein langes, langsames Zischen durch die Zä h ne, was bei Mari so viel bedeutete wie ein Fluch. In betonter Untertre i bung stellte sie fest: »Nun, das sieht ja nicht so gut aus. Was ist das denn für eine schwarze Scheiße? «
»Eine Art Verunreinigung der Essenz. Es passierte, als ich …« Dem Übel seine Essenz entrissen habe, wollte er schon sagen, korrigierte sich aber: »… als ich versuchte, das Übel von Utau fortzuziehen und es sich dann gegen mich wandte. Es war so, als würden Stücke von ihm an mir kleben bleiben und mich ve r sengen.
Ich konnte sie nicht loswerden. Dann habe ich mich abg e schirmt und fiel in Ohnmacht. «
»Allerdings, an das Letztere erinnere ich mich noch sehr gut. Und ich dachte, dir wäre nur Essenz entrissen worden, wie bei Utau – ha, man muss mich mal reden hören: nur Essenz entri s sen! Tut das, äh … weh? Sieht nämlich so aus. «
»Ja. « Dag richtete das Essenzgespür auf sich selbst und schloss kurz die Augen, um es besser zu fühlen. Zwei der grauen Ste l len auf seinem linken Arm, die letzte Nacht noch getrennt g e wesen waren, schienen inzw i schen zusammengewachsen zu sein, wie zwei ineinande r laufende Wassertröpfchen. Es breitet sich aus.
Zögernd erkundigte sich Mari: »Soll ich irgendwas versuchen? Meinst du, ein wenig Essenzverstärkung könnte helfen oder eine Verschränkung? «
»Weiß ich nicht genau. Ich würde nur
Weitere Kostenlose Bücher