Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
aber die Flecken in ihm waren so formlos wie eine Es s enzverstärkung, wenn auch eine umgedrehte, die schädlich und zerstörerisch wirkte statt helfend und he i lend.
Dag bemühte sich zu verstehen, was er da wahrnahm. Bei g e wöhnlicher, auf Überredung beruhender Essen z manipulation drückte der Formwirker gegen die Essenz eines Objekts und verstärkte sie, stets bestrebt, die Dinge mehr zu sich selbst zu machen. Ein Beispiel dafür war Dags früherer vor Pfeilen schützender Mantel, wo aus der schützenden Haut erst Leder und dann ein regelrec h ter Schild wurde. Beim Heilen wurde freiwillig Essenz ve r schenkt, ungeformt, um vom Empfänger dann ohne M ü hen aufgenommen werden zu können.
Eine Essenzverschränkung, wie er sie gerade bei Artin vorg e nommen hatte, war ein Tanz. Die Versklavung von Landleuten durch ein Übel, wurde Dag sich plötzlich bewusst, musste ebe n so ein Tanz der Essenzen sein, wenn auch von ungeheurer Kraft, um derart zwingend und auf so große Entfernung zu wi r ken. Und doch musste er b e ständig aufrechterhalten werden, wie Dag wä h rend des letzten Kampfs aus der Innensicht hatte feststellen kö n nen, und die Verbindung starb mit dem Übel.
Und es hat auch nur eine beschränkte Reichweite, e r kannte er, weshalb das Übel dann auch mit seiner Armee ziehen musste.
Diese Essenzmanipulation hier jedoch … wirkte nur in einem Bereich von vielleicht hundert Schritt, hatte aber offensichtlich ihren Schöpfer überdauert. Begrenzt, machtvoll, furchtbar … und vertraut. Vertraut? Also, wo habe ich so etwas schon mal gesehen? Was für eine Art von Essenzmanipulation überlebte den Tod ihres Formwirkers und behielt doch die Natur des Schöpfers bei, ohne in dem Empfänger aufzugehen, selbst wenn sie fre i gegeben worden war?
Mittlerklingen. In kleinerem Maßstab, gewiss, aber … kaum weniger komplex. Die Essenz des geweihten Me s sers wurde vom Formwirker als ein kompliziertes Behäl t nis gestaltet, das den künftigen Tod des Spenders au f nehmen sollte, und dessen vergehende Essenz wurde, sobald sie erst einmal darin war, festgehalten. Wurde, wenn auch mit dem und nicht gegen den Willen des Spenders, umgeformt zu einer tödlichen Waffe g e gen Übel.
Dar muss jedem Messer, das er herstellt, auch etwas von sich selbst mitgeben, überlegte Dag. Auf gewisse Weise wussten die Leute das auch, weshalb sie die Formwirker, die ihre Messer fertigten, mit besonderer Achtung behandelten. Wie erschö p fend war es, ein solches Messer zu schaffen? Wieder und wi e der und wieder? Sehr. Kein Wunder, dass Dar so wenig für a l les a n dere übrig hatte, so wenig von sich selbst übrig hatte.
Dag richtete das innere Auge wieder auf die Essenzmanipulat i on des Übels. Diese enorme erschreckende Schöpfung war mächtig und kompliziert, über jedes Maß hinaus, das er jemals erreichen konnte. Aber konnte er es nicht zumindest verstehen?
Die Erkenntnis kam so mühelos wie das Fliegen in einem Traum. Ich sehe nun, wie es sich brechen lässt! Er grinste und öffnete die Augen.
Versuchte zu grinsen. Versuchte, die Augen zu öffnen.
Gesicht, Augen, Körper waren ihm abhanden geko m men . Sein Verstand schien eins zu sein mit seiner Essenz, die losgelöst von der äußeren Welt dahintrieb. Graue F ä den wanden sich in ihn hinein wie gierige kleine Münder, wie Würmer, die an ihm saugten und ihn verzehrten.
Ich bin gefangen …
Fawn verstaute das Dutzend neuer Bienenwachskerzen, ihr A n teil an der nachmittäglichen Arbeit, sorgfältig in Dags Truhe, schloss den Deckel und wanderte hinaus unter das Vordach i h res Zelts. Sie starrte durch die Bäume hindurch auf den bleie r nen Schimmer des Sees, der unter einem diesigen Himmel still dalag. Abwesend kratzte sie an einem der Mückenstiche, die ihre bloßen Arme sprenkelten, und schlug nach einem Summen dicht bei ihrem Ohr. Noch ein Grund, Dag zu vermissen, so a l bern und selbstsüchtig es auch sein mochte. Sie seufzte … und spannte sich dann an.
Der Widerhall des Schmerzes, der im Takt ihres Her z schlags im linken Arm und die Seite hinab pochte, ihr ständiger Begleiter seit drei Tagen, schien sich plötzlich zu überschlagen. Eine Woge des Entsetzens durchfuhr sie. Sie wusste nicht, ob der erste Hauch davon zu Dag gehörte oder von ihr kam, aber das Keuchen, das folgte, war ihres allein. Der Rhythmus zerfiel zu etwas Ungeordnetem, Unregelmäßigem, und dann wurde er schw ä cher. Nein, stirb nicht …
Das tat er nicht, kehrte aber
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