Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
Essenz, und seine Geisterhand – pure Essenz, fleckig vor Auszehrung und Resten des Übels – umfasste den Messergriff und die E s senz des Messergriffs. Sein eigenes altes Blut verschaffte ihm Einlass in die Umschließung. Er ließ seine geschwärzte Essenz dem alten, eingetroc k neten Pfad folgen, fassen, halten, und er erinnerte sich an den Abend, da Fawn mit blutigen Fingern sein Hochzeitsband geflochten und so die eigene Essenz dort eing e bunden hatte. Und an ihre weit aufgerissenen Augen und das sorglose Angebot später, bei einer anderen Es s enzmanipulation: Brauchst du Blut? Als hätte sie gern an Ort und Stelle ihre Adern geöffnet und die lebendige Flut in seine Hände fließen lassen, ohne etwas zurückzuha l ten. Wie sie es jetzt tut.
Vergeude ihr Geschenk nicht, alter Streifenreit er .
Seine geschwärzte Berührung wirkte wie eine Entwe i hung, aber er wand die sterbliche Essenz zwischen seinen Geisterfingern auf dieselbe Art, wie Fawn Garn spann. Irgendwo in seinem Inneren grinste er bei dem Gedanken an Dars empörte Stimme: Du hast eine Technik zur He r stellung von Mittlerklingen für ein Hochzeitsband ve r wendet? Die Umschließung löste sich und entließ ihre lang gehegte Last in seine Hand. Kauneos Knochen splitterte freudig, ein Laut, der nicht mit den Ohren wahrg e nommen werden konnte, sondern mit dem Essenzgespür. In di e sem Augenblick erkannte er den Fehler in Dars engstirniger Theorie, wie der Tod des Bauernkinds in das Messer geko m men war. Allerdings blieb ihm keine Zeit, es genauer zu unte r suchen. Er hielt Sterblichkeit in seiner Hand, und sie würde nicht warten.
In seiner Hand, nicht auf ihr. Die beiden waren so u n entwirrbar wie zwei Fasern in demselben, kräftigen Garn. Übereinsti m mung. Jetzt, endlich, schloss er die Finger um das dunkle Werk des Übels.
Seine Geisterhand drehte und weitete sich und brach auseina n der, als die Sterblichkeit von ihm in die grauen Münder floss, den Strängen zehrenden Hungers folgte, und ein lautloser Schrei entrang sich ihm in der Qual di e ser Beanspruchung. Die Spritzer des Übels auf seinem Leib wurden aus ihren ausgezeh r ten Nestern gerissen, wie von einem Schlepptau mitgeschleift.
Sie schnitten durch seine Essenz und fuhren aus dem Arm he r aus. Das schillernde Feuer tobte und verzehrte den düsteren Pfad, auf dem es sich bewegte. Im ganzen Hain loderten die grauen Nebelstreifen der Umschließung des Übels auf und li e ßen einen Moment lang ein Netz roter Funken wie schwerelos in der Luft hängen. Als es die dichten Essenzformen der Erdleute erreichte, explodierten diese in flammenden Feuerr ä dern und li e ßen schmerzende Nachbilder in Dags Essenzgespür wirbeln, so heftig wie die Strudel, die von einem Paddel au s gingen.
Dann … Stille.
Dag hatte nicht gewusst, dass Stille dermaßen widerhallen konnte. Womöglich war es auch nur er selbst. Wenn eine lange Anspannung sich löste, mochte ihr Z u rückweichen selbst schon ein neuer Quell des Schmerzes werden … Nein, genau geno m men war es nur sein Kö r per. Damals, als sein Verstand losgelöst in jenem Essenznebel dahintrieb, hatte er gedacht, dass er se i nen Körper vermisste. Jetzt war er nicht mehr so sicher. All die Schmerzen wüteten mit einem Mal besonders eindringlich: Kopf und Hals, Rücken, Arm und Schenkel, sie alle schrien z u gleich, und auch seine Blase forderte unmissverständlich Au f merksamkeit. Sein Körper war laut, la u nisch und hartnäckig. Aber Dag suchte etwas, was drä n gender war.
Er zwang die Augenlider auseinander, zwinkerte Sand und Kruste beiseite, die sie zu zementieren schienen. Er starrte auf kahle Äste im Silberlicht empor und auf einen Nachthimmel, an dem der Mond hell genug schimmerte, um ein Webmuster aus Schatten zu werfen. Überall im Hain klang überraschtes Stö h nen oder erschrockenes Schreien. Besorgte Rufe wurden zu Freudenlauten.
Im blauen Mondlicht und im roten Schein frischen Holzes, das auf ein nahe gelegenes Feuer geworfen wo r den war, bot sich Dag ein verwirrender Anblick. Fawn und Hoharies Lehrling Othan schienen zu tanzen. Oder vielleicht zu ringen. Es war schwer, sicher zu sein. Othan atmete schwer durch die Nase; Fawn hielt eines seiner Handgelenke mit beiden Händen u m klammert und hing daran, zog seinen Arm nach unten. Er wan k te, während er fluchend versuchte, sie abzuschütteln.
Dag räusperte sich und meinte milde, wenn auch mit einer Stimme, die so rostig und wimmernd klang wie ein altes Scha r
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