Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2

umgestürzt auf dem Feld lag, und der Stadtbewohner nickte wieder. Als Dag den Stab schwang und darauf zu humpelte , fand er Fawn an seiner linken Seite. Sie legte ihm die Hand auf den Arm, noch nicht stützend, aber bereit dazu, wenn sein Bein wieder nachgab. Er fragte sich, ob er sie wieder zu ihrem Pferd zurücksch i cken sollte, damit ihr die zu erwartenden bitteren Einze l heiten erspart blieben.
    Als sie den dicken Stamm erreichten, schüttelte er di e se Zweifel ab. Ohnehin zu spät. Und sie weiß, wie man mit diesen Lan d leuten umzugehen hat. Mit diesem G e danken schob er Fawn an seine Seite und ließ sie in der Mitte sitzen. Beide Männer kon n ten besser über ihren Kopf hinwegschauen als sie um Dag he r um, und … wenn dieser Bursche bei seiner letzten Begegnung mit den Seenläufern Streifenreiter nur vom falschen Ende eines Speers aus zu sehen bekommen hatte, dann war er diesmal ve r mutlich für einen anderen Abstandhalter dankbar. Wir beide.
    Dag atmete ein wenig auf, als die übrigen Landleute sich z u rückzogen und weitergruben. Jetzt war es an den Seenläufern, in einem dichten Haufen beisammenzustehen, die Pferde fes t zuhalten und Dag unbehaglich zuz u schauen.
    »Dieser Landzehrer war schlecht für uns alle «, begann Dag wieder. »Die Seenläufer von Feuchtwalde haben ebenfalls Me n schen und Heimat verloren. Das Lager in den Knochensümpfen wurde ausgezehrt – ich würde schätzen, dass es dreißig Jahre dauern wird, bis dort wi e der jemand wohnen kann. Hier noch länger. «
    Der Mann grunzte. Ob es eine Zustimmung sein sollte oder W i derspruch, war schwer zu sagen. Vielleicht war es auch nur Schmerz.
    »Sind viele Leute zurückgekehrt? Um einander wiederzufi n den? «, warf Fawn ein.
    Der Mann zuckte die Achseln. »Einige. Die meisten von uns wussten, dass sie nur noch als Totengräber he r kommen würden, aber … einige. Ich habe meine Frau gefunden «, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
    »Das ist doch gut «, stellte Fawn ermunternd fest.
    »Sie liegt dort begraben «, erklärte der Mann und wies auf einen langgezogenen Haufen aufgewühlter Erde entlang der Bau m reihe. Ein Massengrab, befand Dag.
    »Oh «, sagte Fawn mit leiserer Stimme.
    »Sie haben darauf gewartet, dass wir zurückkehren «, fuhr der Mann fort. »All die Ehefrauen und Töchter. Die Jungen. Die alten Leute. Es ist, als wäre etwas Sonderb a res und Heiliges mit ihren Leichen geschehen, weil sie nicht verwest sind. Nicht einmal in der Hitze. Als hätten sie darauf gewartet, dass wir zurückkommen und sie fi n den. «
    Dag schluckte und entschied, dass dies nicht der richtige A u genblick war, um die weniger bekannten Anze i chen für eine tief reichende Auszehrung zu erläutern.
    »Es tut mir so leid «, sagte Fawn leise.
    Der Mann zuckte die Achseln. »Es könnte schlimmer sein. Da i sy und Cooper dort drüben, sie haben einander lebendig wi e dergefunden, erst vor einer Stunde. « Er nickte in Richtung eines Mannes und einer der wenigen Frauen. Beide saßen sie auf der Hinterkante eines Wagens, starrten ins Leere und wandten e i nander den R ü cken zu.
    Fawn legte dem Mann ihre kleine Hand auf das Knie, und er zuckte zurück. »Und … warum ist das schli m mer? « Sie konnte solche Dinge fragen. Dag hätte sich nicht getraut. Er war froh, dass sie hier war.
    »Daisy, sie hat geglaubt, dass Coop ihre Kinder bei sich hatte. Coop dachte, sie wären bei ihr. Sie hatten vier. « Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Mit den Kindern haben wir bis zuletzt gewartet, müsst ihr wissen. Falls noch mehr Leute au f tauchen und nachsehen wo l len. « Dag folgte seinem Blick bis zu einer Reihe starrer, kleiner Umrisse, die halb verborgen in ein i ger Entfernung im Gras lagen. Dahinter hoben die Männer s o eben einen Graben aus. Er war noch länger als das vollendete Grab.
    »Sind die Waisen irgendwo außerhalb der ausgezeh r ten Zone untergebracht? «, fragte Fawn. Die verlorenen Götter mochten wissen, was sie dachte; so wie er sie kannte, vermutlich gerade an irgendwelche klugen Vorkehrungen, um die getrennten F a milien wieder zusa m menzuführen.
    Der Mann blickte sie an. Wahrscheinlich wirkte sie auf ihn ebenso jung wie auf Dag, denn mit sanfterer Stimme stellte er fest: »Hier gibt es keine Waisen, Frä u lein. «
    »Aber …« Sie biss sich auf die Unterlippe und überdachte o f fensichtlich die Schlussfolgerung aus diesen Worten.
    »Wir haben hier niemanden lebendig vorgefunden, der jünger als zwölf wäre.