Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
sie, darüber nac h zudenken, was sie an diesem Tag anfangen sollte.
Spinnen ging natürlich immer. Außerdem half sie g e rade Sarri bei Webarbeiten, als Gegenleistung für den robusten Stoff, den diese derzeit für sie fertigte, und dafür, dass sie Fawn beibrac h te, wie man die Reithosen der Seenläufer nähte. Aber im A u genblick war es noch zu früh, um hinüberzugehen. Fawn war auch noch nicht hungrig genug, um wieder Wasserkürbis zu essen.
Stattdessen tauschte sie den Kittel gegen Hemd und Rock, schlüpfte in die Schuhe und ging die Küstenstraße entlang, bis sie an den Abzweig zur Brücke gelangte. Das graue Licht wurde heller, mit einem Hauch von Blau darin. Nur wenige hervorst e chende Sterne schimmerten noch zwischen den Zweigen.
Fawn stellte fest, dass sie nicht als Einzige diese Idee gehabt hatte. Ein Dutzend Seenläufer oder mehr, Männer und Frauen, Alte und Junge, hatten sich in kleinen Gruppen entlang der Hauptstraße versammelt. Es wurde kaum geredet. Fawn ve r suchte, einigen Nachbarn zuzunicken, die sie vom Wasserkü r bis-Lieferdienst wiedererkannte. Zumindest ein paar erwiderten das Nicken, auch wenn keiner lächelte. Aber es wurde ohnehin nicht viel gel ä chelt.
Die Geduld wurde nach einigen Minuten belohnt, als der Klang von Huftritten über die Waldstraße näher kam. Die Reiterschar war bereits in den raumgreifenden Trab der langbeinigen Stre i fenreiter - Pferde gefallen. Dag ritt neben Saun an der Spitze und hörte mit nachdenklich gerunzelter Stirn zu, während der junge Mann zu ihm sprach. Trotzdem wandte er den Kopf und läche l te Fawn im Vorüberreiten zu. Auch Saun drehte sich um und brachte einen überraschten Gruß zustande.
Die anderen entlang der Straße reckten die Hälse und versuc h ten, einen Blick auf ihre Angehörigen zu erh a schen oder ein letztes Winken zu tauschen. Eine Frau rannte neben einer ju n gen Streifenreiterin her und reichte etwas empor, was in ein Tuch eingeschlagen war. Fawn nahm an, dass es sich mögl i cherweise um einen kleinen Verbandskasten handelte. Das Mädchen lächelte jedenfalls dankbar und verdrehte sich im Sa t tel, um es in die Satteltaschen zu schieben.
Fawn war es ein Rätsel, wie siebzig Streifenreiter z u gleich wie so viele und so wenige scheinen konnten. Aber jeder Einzelne von ihnen war gut ausgerüstet: robuste Kleidung, gut gearbeit e te Waffen und gute Pferde. Gute Wünsche. Und was sie soeben gesehen hatte, war nur ein Zehntel von Fairbolts Streifenreitern. Es war nicht schwer zu sehen, wohin der Wohlstand dieser är m lichen Inselgemeinschaft verschwand.
Als die Nachhut des Trupps hinter der Biegung ve r schwunden war, gingen die Zuschauer auseinander und zurück zu ihren Zelten. Fast am Ende, auf der anderen Seite der Straße, trat eine knochige Gestalt aus der D e ckung einiger ausgedörrter wilder Heckenkirschen. Übe r rascht erkannte Fawn Cumbia wieder, in demselben Augenblick, in dem die Seenläuferin auch sie e r blickte.
Fawn nickte und knickste höflich in Richtung ihrer Schwiege r mutter und fragte sich kurz, ob das eine gute Gelegenheit war, ein Gespräch mit ihr zu suchen. Es kam Fawn in den Sinn, dass diese Aufgabe womöglich einf a cher war ohne Dag und seine nervöse … nun, Reizbarkeit schien nicht ganz das richtige Wort dafür zu sein; Sturheit traf es schon besser. Sie brachte ein L ä cheln zusta n de, aber Cumbia wandte sich abrupt ab und ging eilig die Waldstraße entlang, kerze n gerade aufgerichtet.
Fawn wurde sich bewusst, dass die Vorbereitungen für solche frühmorgendlichen Aufbrüche eine lange Zeit Cumbias Aufgabe gewesen waren. Und Cumbia hatte einst einen Ehemann gehabt, der von der Streife nicht zurückg e kehrt war, oder zumindest nur in Gestalt einer tödl i chen Knochenklinge. War es das erste Mal, dass ihr Sohn fortgeritten war, ohne sich von ihr zu verabschi e den?
Fawn war sich nicht sicher, ob Cumbia versucht hatte, sich zu zeigen oder sich zu verstecken, dort, auf der a n deren Seite der Straße. Aber sie wusste genau, dass Dag nicht in diese Richtung geschaut hatte. Dar, bemerkte Fawn, war nicht mit seiner Mu t ter gekommen, und sie fragte sich, was das zu bedeuten hatte.
Mit einem verkniffenen Ausdruck auf dem Gesicht wandte Fawn sich wieder der Uferstraße zu. Sie hielt die Hand über ihr Eheband und suchte nach diesem beruh i genden Prickeln. Komm schon, Mädchen, er ist noch nicht mal über die Brücke. Aber da, das leichte Kribbeln antwortete trotzdem auf ihre stumme
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