Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
Ergänzungen in den Schmutz, strichen sie aus und zeichneten neu. Dag hörte aufmerksam zu, entwarf und änderte im Kopf Pläne für die Annäherung, in dem düsteren Bewusstsein, dass neun Zehntel dieser Planung sich im weiteren Verlauf als übe r flüssig erweisen würden.
Es gab genug Verstand und Erfahrung in dieser Gru p pe, und Dag musste die ausführliche Diskussion kaum anleiten. Zwei schlechte Ideen wurden zerpflückt, von Utau beziehungsweise Obio, bevor Dag auch nur den Mund aufmachen konnte. Drei bessere, an die Dag nicht einmal gedacht hatte, wurden vorg e bracht, bedacht, a n gepasst und gebilligt, wobei er kaum mehr tun musste, als nur dann und wann die Richtung vorzugeben.
Mari, gesegnet sollte sie sein, übernahm die Aufgabe, einigen Streifenreitern, die nicht mit der getarnten Patrouille mitko m men sollten, die Mittlerklingen zu entl o cken, da es sechs Paare gab, aber nur vier Messer unter den hier Versammelten. Sie tei l ten sich sogar in neue Paare auf, bevor die Gruppe, still und nachdenklich g e worden, schließlich auseinanderging und ihre Decken aufsuchte. Dag hoffte, dass sie besser schlafen würden, als er vermutlich dazu in der Lage war.
Schließlich rollte er sich in die eigenen Decken, die dünn über dem kalten, feuchten Boden lagen, und suchte am trüben Hi m mel nach den Sternen. Er bemühte sich, das geschäftige Treiben in seinem Kopf zur Ruhe zu bringen. Es brachte nichts, die Pl ä ne für morgen noch einmal durchzugehen, zum zehnten oder war es das zwanzigste Mal. Für heute hatte er alles getan, was er konnte, außer zu schlafen. Aber wenn er die quälenden So r gen um seinen Trupp aus dem Geist verbannte, kroch die schmerzhafte Sehnsucht nach Fawn an den frei g e wordenen Platz.
Dag hatte sich in so wenigen Wochen dermaßen an ihre Gesel l schaft gewöhnt, als wäre sie immer schon da gewesen oder als hätte sie sich zumindest nahtlos in i r gendeine Leerstelle von genau ihrer Form eingefügt, die schon seit Jahren in ihm gewa r tet hatte. Er erfreute sich nicht nur an ihrem lieblichen Körper, der Gelüste in ihm erweckte, die er von Alter und Erschöpfung gedämpft geglaubt hatte, sondern auch an der Art, wie ihre glänzenden Augen sich bei ihren endlosen Fragen weit öffn e ten, an dem entschlossenen Ausdruck auf ihrem Gesicht, wenn sie sich einem neuen Problem gegenübersah, ihrer anscheinend grenzenlosen Neugier auf die Welt. Und wenn ihre Lebenslust ihm Freude bereitete, so war seine eigene erneuerte eine Übe r raschung für ihn.
Voll Unbehagen dachte Dag an die dunkle Seite dieser hellen Münze. Hatte die Heirat auch seine Angst vor dem Tod wieder aufgeweckt? Für eine lange Zeit war ihm sein unausweichliches Ende weder als Feind noch als Freund erschienen. Es war ei n fach da gewesen, hingenommen und vermieden wie der G e brauch der fehlenden Hand. Wenn man nichts mehr zu verlieren hatte, bereitete einem keine Gefahr große Sorge, und es kam kaum vor, dass einem die Furcht den Verstand vernebelte. Wenn es diese Gleichgültigkeit gewesen war, die ihm seinen besonderen Schliff verliehen hatte, war seine Schärfe dann ve r loren gegangen?
Seine Rechte wanderte über die Brust bis zu der d i cken Schnur um den linken Arm oberhalb des Ellbogens. Dag beschwor das beruhigende Summen von Fünkchens lebendiger Essenz herauf. Allerdings, jetzt hatte er etwas zu verlieren. Im Schatten seiner Furcht begann er, die Gestalt seiner Wünsche zu erkennen, die Neugier auf eine Zukunft, die weder aufgezwungen noch u n ausweichlich war, sondern plötzlich eine Menge Unbekan n tes enthielt, Orte und Menschen, die vollkommen überr a schend waren und unvorstellbar in jeder Hinsicht. Ve r dammt nochmal, ich möchte leben. Nicht der beste Zeitpunkt, für eine solche E r kenntnis, was? Er schnaubte verächtlich.
Anstatt seine Gedanken im Kreis jagen zu lassen, legte er den linken Arm um sein nicht anwesendes Fünkchen und schloss mit Bestimmtheit die Augen. Die Somme r nacht war kurz. Bei Sonnenaufgang würden sie gerad e wegs nach Süden reiten. Und sorg dafür, dass dein Kö r per und dein Verstand auf demselben Pferd sitzen, alter Streifenreiter.
10. Kapitel
D rei Tage schon, dachte Fawn. Heute fing der vierte an. Hatte es überhaupt schon begonnen, war Dags Trupp i n zwischen dort angekommen? Wo auch immer dort war. Irgendwo im Westen, ja, und er war immer noch am L e ben; so viel zumindest konnte ihr das Eheband inzwischen verraten. Besser als gar keine Nachricht, aber bei
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