Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
kauerte er sich hinter einer Stei n mauer nieder, die die obere Seite des Weizenfelds säumte. Halb kroch er im Schatten an der Westseite der Mauern entlang, bis er erneut ein Brombeergestrüpp erreichte, dann riskierte er e i nen Blick nach hinten. Der Mond tauchte aus einer Wolke auf, aber die kompakten Gestalten der nachfolgenden Streifenre i ter zeichneten sich kein einziges Mal im bleichen Licht ab. Gut, ihr seid wirklich gut. Die Hälfte lag hinter ihnen.
Dag schlüpfte durch weitere sterbende Dornbüsche hindurch und tauchte in den schwarzen Schatten des Waldes am Fuße der Anhöhe ein. Auch seine Streife schwärmte aus und glitt von Deckung zu Deckung.
Zu seinem Entsetzen hörte er ein gedämpftes Ächzen und einige dumpfe Schläge von der Linken. Hastig bewegte er sich in Richtung des Geräuschs. Codo und Hann kauerten über etwas, was halb zwischen verdorrten und abgefallenen Zweigen ve r borgen lag. Hann hatte sein langes Messer gez o gen, aber als Dag die Hand auf ihn legte, blickte er auf und erstarrte.
Codo hockte auf der Brust eines grauhaarigen Mannes – ve r sklavter Bauer, Wache? Er hielt beide Hände fest um die Kehle des Burschen geschlossen, der sich heftig wehrte. »Hann, mach schnell! «, zischte Codo.
Dag hielt Codo an der Schulter, schob sich näher und musterte den Kerl, der Bedrohung und Opfer zugleich war. Ein Bauer n sklave , ja, in zerlumpter Kleidung, die Augen wild und wah n sinnig. Vielleicht von diesem Ba u ernhof hier oder sonst wo von dem Übel und seiner u m herstreifenden, wachsenden Armee aufgelesen. Er war nicht groß und nicht mehr jung. Dag fühlte sich unang e nehm an Sorrel Blaufeld erinnert. Er versetzte ihm mehrere heftige Schläge auf den Kopf, bis der Mann bewuss t los wurde und sich nicht länger wehrte. Die g e dämpften Schläge hallten in Dags Ohren so laut wie Tromme l schläge.
»Verdammt. Wäre leichter, ihm die Kehle durchz u schneiden «, murmelte Codo und erhob sich vorsichtig. »Sicherer auch. «
Dag schüttelte den Kopf und zeigte bergauf. Das war nicht der richtige Ort für eine Diskussion, und das Paar fing auch keine an. Sie wandten sich um und setzten den leisen Aufstieg fort. Dag konnte ohnehin alles im Kopf durchspielen, ohne dass ein Wort gewechselt wurde – Hanns wütender Blick loderte durch die Dunkelheit und reichte aus, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. Mit durchschnittener Kehle hätte keine Gefahr mehr bestanden, dass die Wache in ein paar Minuten das B e wusstsein wiedererlangte und Alarm gab.
Ich hasse es, gegen Menschen zu kämpfen. Die schlimmste aller Schändlichkeiten in diesem langen Krieg gegen die Übel war der Verstandesraub an Menschen, die von Rechts wegen Freunde und Verbündete der Seenläufer sein sollten. Selbst wenn die Streifenreiter gewannen, verloren sie, in Zusamme n stößen, die tote Bauern zurückließen. Wir verlieren alle. Dag lockerte seine pochende Hand. Das hätte Sorrel sein können. J e mandes Ehemann, Vater, Schwiegervater, Freund.
Ich hasse das Kämpfen. Oh Fawn, ich bin es so müde.
Der Wahnsinn in den Augen des Bauern war Beweis genug, dass er versklavt worden war. Dag musste nicht erst mit seinem Essenzgespür den Griff des Übels in se i nem Verstand suchen. Auch wenn sie ihm nicht die Ke h le aufgeschlitzt hatten, konnte die kurze Unruhe den Gegner nicht trotzdem gewarnt haben?
Nein, entschied Dag. Die schwere Erschütterung eines Todes in seinem wachsenden Netz aus Sklaven hätte das Übel vermutlich deutlicher bemerkt als einen Zustand, den man durchaus mit einer Art von Schlaf verwechseln konnte. Einiges hing davon ab, wie viele Personen dieses Übel kontrollierte und über we l che Entfernung und bei welchen Aufgaben. Bitte, lasst es bis an seine Grenze beschäftigt sein.
Was auch immer es derzeit auf der Spitze dieses Turms trieb, die Essenz floss in einem gewaltigen, re i ßenden Strudel dorthin. Dag spürte das tödliche Pulsieren unter den Sohlen seiner Sti e fel. Er hatte eine wilde Vision, wie er die dahin strömende Macht mit der Geiste r hand packte und sich davon geradewegs den Hang hinaufzi e hen ließ.
Die Streife erreichte die Kante der Lichtung, die mit den Stümpfen der Bäume übersät war, die für den Turm gefällt wo r den waren – im Laufe des letzten Tages, schloss Dag aus dem immer noch stechenden Harzg e ruch. Im schwachen Mondlicht konnte er die vierschrötigen Gestalten von zumindest vier Er d männern ausm a chen, die am Fuße des Turms Wache standen.
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