Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
umklammerte ebenfalls das linke Handgelenk und drückte es.
»Razi und Utau …?«
»Sie leben. Sie leben. Das zumindest. « Sie warf Fawn einen neugierigen Blick zu. »Hast du etwas gespürt? Du kannst doch unmöglich …«
Ein Grunzen aus dem Zelt unterbrach sie. Cattagus schob sich mit der Hand voraus durch die Klappe und war noch damit b e schäftigt, seine kurze Hose um die beleibte Mitte zu verschn ü ren. Er blickte finster drein. »Was ist das denn für ein Trara im Mondenschein, M ä dels? «
»Fawn meint, sie hätte etwas in ihrer Schnur gespürt. Das hat sie aufgeweckt «, fügte Sarri hinzu, als könne sie das nur wide r willig bestätigen. »Ich wurde auch wach, aber … da war nichts. Mari? «
Dieselbe Geste, die Rechte über die Linke, obwohl Cattagus erfolglos versuchte, sie nicht besorgt wirken zu lassen, indem er ein verärgertes Gesicht aufsetzte. Er schüttelte den Kopf. »Mari ist in Ordnung. « Nach kurzem Nachdenken fügte er hinzu: »Zumindest lebt sie noch. Was bei allen Übeln treiben diese berittenen Narren da mitten in der Nacht? « Er blickte nach Westen, als könne er mit den Augen irgendwie hundert oder mehr Meilen überwinden und die Antwort auf seine Frage selbst sehen. Aber eine solche Tätigkeit überstieg selbst die Kräfte der Seenläufer, eine Tatsache, die er mit seinem trock e nen Schnauben zu bestätigen schien.
Die beiden Frauen folgten unbehaglich seinem starren Blick.
»Schaut mal «, erklärte er zuversichtlich, »Utau, Razi, Mari und Dag leben alle noch, also kann der Trupp nicht in so großen Schwierigkeiten stecken. Denn ihr könnt euch sicher sein: Wenn da draußen irgendwo ein Schei ß haufen wartet, treten die vier als Erste rein! «
Sarri stieß die Luft aus. Es war nicht ganz ein Lachen, aber sie akzeptierte die Beschwichtigung, sowohl um seinet - wie auch um ihretwillen, wie Fawn vermutete.
»Ganz besonders Dag «, fügte Cattagus noch halblaut hinzu. »Man fragt sich doch, was Fairbolt sich dabei g e dacht hat, als er …«
»Cattagus. « Fawn holte tief Luft und streckte den Arm aus. »Meine Schnur fühlt sich merkwürdig an. Kannst du etwas an ihr erkennen? «
Seine grauen Brauen hoben sich. »Unwahrscheinlich. « Trot z dem umfasste er sanft ihr Handgelenk. Seine Li p pen zuckten kurz, wie überrascht, aber dann schwand die B e sorgnis, die dort aufgeflackert war, und machte einem beherrschteren Ausdruck Platz. »Nun, er lebt. Das ist schon mal was. Wenn er noch lebt, kann man ihm wohl kaum die Essenz herausgerissen haben. «
Noch mehr Seenläufergeheimnisse, bei denen es ni e mand für nötig befunden hatte, ihr davon zu erzählen? »Was bedeutet das: die Essenz herausreißen? «
Cattagus wechselte einen Blick mit Sarri, aber bevor Fawn noch frustriert die Zähne zusammenbeißen konnte, gab er nach und erklärte: »Es ist dasselbe, was dieses Übel in Glashütten offe n bar mit deinem Kindchen gemacht hat. Nur das erwachsene Seenläufer sich widersetzen und ihre Essenz dagegen verschli e ßen können. Wenn das Übel ortsgebunden oder noch nicht zu stark ist. «
»Und wenn es stark ist? «, fragte Fawn besorgt.
»Nun … zumindest sagt man, es wäre ein schneller Tod. Auch wenn man keine Gelegenheit mehr bekommt, ihn zu teilen. « Cattagus blickte streng drein. »Aber schau mal, Mädchen, stell dir nicht die ganze Nacht irgendwe l che Dinge vor. Dein Junge lebt noch, nicht wahr? «
Fawn hatte Schwierigkeiten, von Dag als »Jungen « zu reden, aber an das Dein klammerte sie sich von ganzem Herzen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Dag gehört mir, ja. Nicht irgendeinem verzehrenden Übel.
»Vielleicht ist es vorbei «, sagte Sarri leise. »Ich hoffe, es ist vorbei. «
»Wann werden wir das wissen? «, fragte Fawn.
Cattagus zuckte die sehnigen Schultern. »Aus dem Zentrum von Feuchtwalde können gute Nachrichten in drei Tagen hier sein. Schlechte in zwei. Sehr schlechte Nachrichten … gut, darüber machen wir uns noch keine Sorgen. Husch, wieder zu Bett, M ä dels! « Er schüttelte den Kopf und ging mit gutem Beispiel v o ran, indem er keuchend in sein Zelt schlüpfte. Mit betontem Keuchen, dachte Fawn.
Auch Sarri schüttelte den Kopf, in unwillkürlicher Nachahmung ihres mürrischen Onkels, seufzte tief und kehrte zu ihrem Zelt und den schlafenden Kindern z u rück. Fawn trottete langsam zum kleinen Zelt Blaufeld.
Gehorsam legte sie sich hin, aber sie konnte unmö g lich wieder einschlafen. Nachdem sie sich eine Weile hin und
Weitere Kostenlose Bücher