Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
hergeworfen hatte, erhob sie sich wieder und holte die Handspindel und ein Bündel Wasserkürbisflachs he r vor. Damit ging sie hinaus ins Mondlicht und setzte sich auf ihren zum Spinnen bevorzugten hohen Sitzklotz. So hätte sie als Ausgleich für die nächtliche Unruhe zumi n dest etwas vorzuweisen. Der Klang der goldenen Kügelchen, die beim Spinnen an ihrem Handgelenk gegene i nander klackten , wirkte normalerweise fröhlich und trö s tend, heute Abend aber klang es mehr nach unruhig tappenden Fi n gern. Anstoßen, spinnen, glätten.
Sie wünschte, dass sie zum Schutz Zaubersprüche in Hosenstoff einwirken könnte, wie es eine Seenläuferin vermutlich konnte. Fawn konnte einen festen Garn spi n nen, ihn dicht verweben, sauber vernähen, mit sicherer, doppelter Naht. Sie konnte mit all ihrem Verstand bei der Sache sein, und doch würde es nicht mehr Schutz bieten als das, was man für gewöhnlich von Stoff auf der Haut erwarten konnte. Nicht genug. Anstoßen, spinnen, glä t ten.
Noch drei Tage, bis Nachrichten kamen. Diese Wart e rei gefällt mir nicht. Nicht im Geringsten. Die hilflose Sorge war schlimmer, als sie erwartet hatte, und sie füh l te sich aus dem Gleichgewicht gebracht. Sarri und Ca t tagus gefällt es genauso wenig, so viel ist klar. Aber die hörst du nicht d a rüber klagen, oder? Ihr eigenes Unb e hagen war nicht nur deshalb anders, weil es neu für sie war.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie die Launenhaf ti g keit der Seenläufer besser verstand. Was sie Dag vor se i nem Aufbruch alles beteuert hatte, kam ihr im Rüc k blick übertrieben munter vor und zumindest ahnungslos, wenn man das Wort »dumm « schon vermeiden wollte. Jetzt lerne ich etwas. Wieder mal . Anstoßen, spinnen, glä t ten.
Wenn Dag auf Streife starb – Fawns Augen wanderten zu der Schnur an ihrem Handgelenk. Er lebt noch, ja. Es war nur ein Gedankenspiel. Sie konnte wagen, es zu de n ken. Wenn ihm dort draußen etwas zustoßen sollte, was wird dann aus mir?
So reizvoll der Hickory-See auch sein mochte, sie wusste genau, dass sie ohne Dag keine Wurzeln hier ha t te. Auch wenn diese Seenläufer sie vermutlich nicht nackt aus dem Lager jagen wü r den, so hatte sie doch keine Zweifel daran, dass Fairbolt sie umgehend nach Blau West zurückschicken würde, vermutlich in Begleitung eines Streifenreiters, um sicherzustellen, dass sie auch ankam. Das schien seiner Vorstellung von verantwo r tungsbewusstem Handeln zu entsprechen.
Aber jetzt hatte Fawn auch in Blau West keine Wu r zeln mehr. Sie hatte sie durchtrennt, und wenn schon nicht ohne Schme r zen, so doch ohne Reue. Zwei Mal. Sie ein drittes Mal zu durchschneiden war keine Aufg a be, der sie sich gern stellen wollte. Wenn sie also nicht hie r bleiben konnte und auch nicht zurückkehren …
Es war vielleicht ein Maß für das, was dieses mitunter absche u liche Jahr mit ihr angestellt hatte, dass sie diesen Gedanken sel t sam wenig beängstigend fand. Es gab Glashütten. Es gab Silbe r furten an der Holdwasser, eine noch großartigere Stadt, wenn man Dags Beschreibungen glauben durfte. Es gab eine ganze Welt voller Möglichkeiten für eine Nicht - Strohwitwe , die en t schlossen genug war und ihren Verstand beisammen hielt . Sie war praktisch veranlagt. Fawn wusste jetzt, wie man fremde Str a ßen entlangwanderte. Sie war schon so weit gekommen und hatte es nicht nötig, sich an Dag zu klammern, wie eine Ertri n kende den einzigen Ast im reißenden Strom festhalten mochte.
Anscheinend wollte jeder Dag für irgendetwas. Fairbolt Schwarzvogel wollte ihn als Streifenreiter. Seine Mutter wollte ihn, um den hohen Wert ihres Blutes zu beweisen, oder vie l leicht auch nur, um ihren eigenen h o hen Wert durch den seinen zu bestätigen. Sein Bruder Dar wollte, dass er keinen Ärger machte und nicht für Ablenkung sorgte – dass er sich ruhig ve r hielt, innerhalb der Regeln blieb und so ignoriert werden kon n te.
Fawn war sich nicht sicher, wo sie in dieser Liste zu finden war, denn sie wollte Dag eines Tages ganz sicher als Vater ihrer Kinder haben. Allerdings schien Dag selbst Pläne in diese Ric h tung zu haben, also beruhte das womöglich auf Gegenseitigkeit und zählte nicht. Wollte irgendjemand Dag einfach nur als Dag? Ohne einen Nutzen für irgendetwas, ganz wie Seide n blumen oder eine Seerose oder eine Sommernacht mit Glü h würmchen?
Denn später, an einigen sehr trockenen Orten, gab mir die E r innerung an diese Stunde genug Trost, um durc h
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