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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Kaffee. Eigentlich war es mehr ein Befehl gewesen als
ein Deal. Mit diesem Besuch sicherte sein Vater sich nämlich die Macht über
sein Leben. Er wusste genau, wie er mit wenigen Bemerkungen Bens fragiles
Selbstbewusstsein zerstören konnte. Darin hatte er über zwanzig Jahre
Erfahrung. Da half es gar nichts, inzwischen erwachsen geworden zu sein. Er war
der wertlose Sohn, für alle eine große Enttäuschung. Das würde sein Vater ihn
niemals vergessen lassen.
    Seine Mutter spielte bei diesen wöchentlichen Treffen ebenfalls eine
wichtige Rolle. Durch sie wurde es Ben unmöglich gemacht, seiner Wut freien
Lauf zu lassen. Denn bei jeder noch so kleinen Bemerkung gegen seinen Vater
begann sie zu weinen. Heulte und litt und machte ihn damit zum Täter. Und sein
Vater saß voller Genugtuung am Ende des Tisches, unbeeindruckt von den Tränen
seiner Frau, aber zufrieden mit dem doppelten Sieg, den er über ihn errungen
hatte. Denn nun musste Ben alles Weitere schlucken, selbst wenn er daran
erstickte.
    Zögernd stand er vor der hellen Freitreppe, als sich die Haustür
öffnete und seine Schwester Uli auftauchte. Vaters Engelchen, sein ganzer
Stolz. Uli wohnte noch immer in diesem riesigen, kalten Haus. Wusste der
Himmel, wie sie das aushielt. Ein glänzendes Abitur, Vorzeigestudentin,
perfekte Tochter des hochehrwürdigen Professor Doktor.
    Sie verschränkte die Arme. »Du bist zu spät.«
    »Und das, wo ihr euch so auf mich gefreut habt. Nicht zu
entschuldigen.«
    »Wegen mir kannst du bleiben, wo du bist. Ich brauch dich hier
nicht.«
    »Aber Schwesterherz. In diesem Haus herrscht doch ein höflicherer
Umgangston, oder?«
    Sie stürmte an ihm vorbei. »Ach, verpiss dich!«
    »Wo willst du denn so plötzlich hin?«
    »Geht dich nichts an. Ich guck mir jedenfalls euer
Scheißkaffeetrinken heute nicht an.« Ein nagelneues Mini-Cabrio hielt vor dem
Gartenzaun. André, ihr Freund, saß hinterm Steuer. Ein braun gebrannter, glatt
geföhnter BWL -Student, der ebenfalls aus einer Nottulner Vorzeigefamilie
stammte. »Sei einfach ein bisschen nett zu Mutti und Vati. Falls du das
überhaupt kannst.«
    Ben lächelte falsch. »Ich werde mich nur kriechend fortbewegen, fest
versprochen.«
    »Arschloch«, murmelte sie und stieg in den Wagen, ohne Ben weiter zu
beachten. Mit quietschenden Reifen fuhr der Mini davon.
    Nett sein. Uli wusste nichts von dem, was sein Vater anderen
Menschen antun konnte. Sie wurde ja auch nur verhätschelt. In ihren Augen war
er es, der das Verhältnis ruinierte. Trotzdem spürte er einen Stich. Warum gab
es keinen, der sah, was wirklich passierte? Weshalb war nie einer da, der für
ihn Partei ergriff?
    Er wandte sich zur Haustür, die Uli offen stehen lassen hatte. Zwei
Stunden. Dann wäre dieser letzte Besuch Geschichte. Er würde seinen Eltern niemals
wieder begegnen.
    Vorsichtig betastete er die Pistole an seiner Hüfte. Du brauchst
keine Angst zu haben. Du spielst einfach alles mit, so wie jedes Mal. Doch
heute wird er dich nicht verletzen können. Du wirst dir einfach vorstellen, die
Waffe aus deiner Hose zu ziehen und ihn damit abzuknallen.
    Ja. Das würde es ihm unmöglich machen, Ben innerlich zu treffen,
ganz egal was er sagte. Mit der Waffe im Gürtel konnte ihm nichts passieren.
    Auf dem Weg vom Präsidium nach Hause saß Hambrock im Stau fest. Er
ärgerte sich, nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren zu sein, wie er es sich
seit Wochen immer wieder vornahm. Bei der Strecke quer durch die Stadt war das
Rad das schnellste Verkehrsmittel. Aber wie an jedem Morgen hatte er sich auch
heute nicht dazu durchringen können. Irgendwie brauchte er das nach dem
Frühstück, die Fahrt mit dem Auto, wo er in Ruhe wach werden konnte und ganz
ungestört war, bevor der Trubel im Präsidium losging.
    Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen, doch mit dem warmen Wetter
war es wohl erst mal vorbei. Draußen herrschten jetzt Temperaturen von unter
zehn Grad. Der Herbst war endgültig da.
    Während Hambrock im Abgasnebel stand und wartete, sah er sich um.
Ein Plakat an einer Litfasssäule kündigte den diesjährigen Bullenball in der
Halle Münsterland an. Hambrock lächelte. Er fühlte sich an seine Jugendzeit
erinnert. Auf dem Land war der Bullenball stets einer der jährlichen Höhepunkte
gewesen. Früher einmal ein Heiratsmarkt für Jungbauern, war er seit vielen
Jahren einfach ein guter Anlass zum Saufen und einen Draufmachen. Ein paar
Hoferben hofften wohl noch immer darauf, dort eine Frau zu finden, doch

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