Bullenball
Möglichkeiten, sie loszuwerden.«
»Trotzdem sollte ich mich da mal umsehen.«
»Weiß denn die Polizei schon irgendwas?«, fragte Marie.
»Die haben am Anhänger nach Fingerabdrücken gesucht. Aber da war
wohl nichts. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß, den Typen zu
schnappen.«
Maries und Jules Blicke trafen sich. Da war eine Frage in Jules
Gesicht zu erkennen. Marie wandte sich eilig ab, sie wollte jetzt nicht darauf
eingehen. Am Telefon hatte sie Jule gesagt, sie müsse mit ihr etwas Wichtiges
bereden. Gleich heute Abend. Da war sie noch entschlossen gewesen, ihr endlich
die Wahrheit zu sagen über ihre Gefühle zu Jonas. Doch jetzt, wo sie ihr
gegenüberstand, kam es ihr völlig unmöglich vor.
»Weiß der Himmel«, meinte die Flötistin, »was der im Anhänger zu
finden glaubte. Bestimmt keine Tourausstattung.«
Marie ging dazwischen: »Vielleicht wusste er ja ganz genau, was in
dem Anhänger war.«
Sie erntete fragende Blicke.
»Na, könnte doch sein, dass der Typ es auf uns abgesehen hat. Er
wollte der Band Schaden zufügen. Deshalb hat er den Anhänger aufgebrochen und
die Tuba geklaut.«
»Auf uns abgesehen? Wer sollte das denn sein?«
»Was weiß ich! Aber denkt doch mal nach: Zuerst war da die Sache mit
Jonas’ Auto. Das stand direkt unter einer Laterne, wo alle es sehen konnten.
Trotzdem wurde ausgerechnet dieses Auto ausgewählt, um es mit Eiern zu versauen.
Und jetzt der Einbruch in unseren Anhänger. Das ist doch kein Zufall.«
Die anderen wechselten irritierte Blicke. Marie schien keinen so
recht überzeugt zu haben.
»Der Anhänger stand in Günter Ehlers’ Auffahrt!«, insistierte sie.
»Der Typ wusste, dass er der Jazzband gehört. Deshalb hat er ihn aufgebrochen.«
»Ich weiß nicht, Marie.«
»Ehrlich. Das hört sich ziemlich konstruiert an.«
»Außerdem, wer sollte was gegen uns haben?«
»Genau. Wir sind doch für alle offen. Hier kann jeder mitmachen.«
Es hatte keinen Sinn. Die anderen hielten sie für verrückt. Selbst
Jule runzelte die Stirn und sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
Bevor Marie etwas erwidern konnte, tauchte Günter Ehlers in der Tür auf.
»Wo bleibt ihr denn? Wir wollen anfangen.«
Zigaretten wurden ausgetreten, Instrumentenkoffer untergeklemmt,
nach und nach schlenderten alle ins Innere.
Der Festsaal mit der hohen Decke, den nackten Steinwänden und der
tollen Akustik stammte noch aus den Zwanzigerjahren. Es gab sogar eine schmale
Holzbühne, die ausreichend Platz bot für das Schlagzeug und die restlichen
Percussion-Instrumente. Unten auf dem Parkettboden waren Stuhlreihen aufgebaut,
die einen Halbkreis bildeten und Platz für die Blasinstrumente boten.
An diesem Mittwoch fand die vorletzte Probe vor dem Herbstkonzert
statt, dem Jahreshöhepunkt der Brooker Jazzband. Wie in jedem Herbst wurde die
Nottulner Mehrzweckhalle angemietet, und die Veranstaltung war schon jetzt
ausverkauft. Dieses Jahr waren sie besonders gut auf das Konzert vorbereitet,
trotzdem herrschte eine gewisse Aufregung unter den Musikern. Fast alle waren
gekommen, was nur selten bei einer Probe vorkam. Ebenfalls anwesend waren Suse,
die Sängerin, und Marlon, der sein Mischpult aufgebaut hatte, um die Band und
die Sängerin abzumischen. Suse sorgte für eine große Überraschung, als sie mit
einer alten und leicht verbeulten Tuba auftauchte, die sie bei sich auf dem
Dachboden gefunden hatte. »Die wird sich nicht anhören wie deine alte«, meinte
sie zum Tubisten, »aber auch nicht so schlimm, wie sie aussieht. Probier
einfach, wie du mit ihr klarkommst.«
Günter Ehlers war so überglücklich gewesen, dass er Suse spontan
einen Kuss auf die Wange gegeben hatte. Nun stand er am Dirigentenpult und
sortierte seine Noten. Drumherum wurden Tonleitern gespielt, es wurde geflüstert
und gekichert, eine Triangel fiel klirrend zu Boden.
»Also, los geht’s«, erhob Günter Ehlers seine Stimme. »Wir sind gut
aufgestellt, das Konzert auf dem Weinfest war eine gute Vorbereitung. Trotzdem
müssen wir heute noch viel arbeiten. Ein paar Sachen sind echt in die Hose
gegangen, das können wir besser.«
Zuerst wurde der Soundcheck durchgeführt. Hinter dem Mischpult schob
Marlon seine Buddy-Holly-Brille zurecht. Er drehte an den Reglern.
Jule rückte leise an Marie heran. »Alles okay?«, fragte sie.
»Ja, klar.« Marie schraubte an ihrer Klarinette herum, ohne weiter
auf sie zu achten.
»War es das, was du mir sagen wolltest?«, fragte Jule. »Du glaubst,
einer
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