Bullenball
will der Band schaden?«
Marie hätte beinahe aufgelacht. Sie fand jedoch nicht die
Gelegenheit zu antworten. Günter Ehlers kam ihr zuvor.
»Wir fangen an mit ›Curtain up!‹. Konzentration, bitte.«
Jule wandte sich ab. Sie befeuchtete das Mundstück, zog sich den
Rock zurecht und brachte sich in Position.
»Das Schwierigste ist der Anfang«, meinte Günter Ehlers. »Da müssen
wir ein straffes Tempo halten. Danach lasst ihr euch einfach von der Melodie
führen.«
Er hob den Stab und gab den Takt vor. Es ging los. Ein schneller und
schwungvoller Anfang. Nach ein paar Takten begann die Melodie, und da passierte
es. Es gab einen Knall. Es mussten die Boxen sein. Die Dynamik der Band fiel
auseinander, einige Sitzreihen hörten auf zu spielen, andere verloren den Takt.
Aus den Boxen drangen nur noch dumpfe und scheppernde Klänge. Als hätte einer
Wolldecken darumgewickelt.
Marlon starrte fassungslos auf sein Mischpult.
»Mist, Mist, Mist!«, rief er.
Gemurmel ertönte. Günter Ehlers trat von seinem Dirigentenpult
herab.
»Was ist passiert?«
Marlon sah bestürzt auf. »Die Boxen sind durchgebrannt. Hier ist ein
Kanal voll aufgedreht. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.«
»Voll aufgedreht, sagst du?«
»Ja. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.«
Marie begriff sofort, was passiert war. Sie konnte sich nicht mehr
zurückhalten.
»Das ist Sabotage!«, rief sie. »Da hat einer dran rumgedreht. Du
bist doch eben rauchen gegangen, Marlon, nicht wahr? Das Pult war unbeobachtet.
Einer hat am Regler herumgedreht.«
Günter Ehlers trat einen Schritt auf sie zu. Sein Gesicht
verdunkelte sich.
»Du meinst, einer von uns?«
»Natürlich. Zuerst wurde das Auto von Jonas mit Eiern eingeschmiert,
danach die Sache mit dem Anhänger und jetzt das.«
»Das sind schwere Anschuldigungen, Marie.«
»Aber wie soll das sonst passiert sein?« Sie wandte sich an Marlon.
»Da muss doch einer dran rumgedreht haben, oder?«
Doch Marlon hatte gar nicht zugehört. Er starrte immer noch unbewegt
auf sein Mischpult. Dann hob er wie ferngesteuert seinen Kopf und blickte über
die Stuhlreihen hinweg zur Bühne, wo die Percussion platziert war.
»Claudi?«
Die Bassistin hob den Kopf. »Ich war’s nicht.«
»Haben wir mit dem Bass den Soundcheck gemacht?«
Claudi begriff. Ihre Augen weiteten sich erschrocken.
»Nein. Ich war eben auf Toilette. Ich habe gar nicht mehr daran
gedacht.«
»Verdammt!« Marlon wurde ganz bleich im Gesicht. »Ich hab den Kanal
für den Bass nicht eingestellt. Das war meine Schuld!«
Günter Ehlers ging dazwischen. »Aber dann hätte er doch beim letzten
Mal schon ganz aufgedreht sein müssen, oder? Der Regler geht doch nicht allein
zum Anschlag.«
»Herr Ehlers …« Eine piepsige Stimme aus der Saxofonreihe. Alle
wandten sich um. Da saßen Rebecca und Larissa, die Neuzugänge der Band. Beide
waren gerade vierzehn geworden. Sie wirkten zerknirscht und sahen schamrot auf
ihre Fußspitzen. Es war Larissa, die sich gemeldet hatte, aber sie brachte
jetzt kein Wort mehr heraus, genauso wenig wie ihre Freundin. Aber das war auch
gar nicht nötig.
»Wart ihr das etwa?«
»Wir … ich …« Larissa brach in Tränen aus.
»Das sollte nur ein Spaß sein«, schob Rebecca hinterher. »Wir
wussten nicht, dass so was passieren kann. Wir dachten, das würde einfach laut
quietschen, mehr nicht.«
Günter Ehlers sah zu Marie, die wortlos dastand. Dann wandte er sich
wieder den beiden Mädchen zu.
»Das ist ein Versicherungsfall. Wir kriegen das ersetzt. Macht euch
keine Sorgen.« Es sah aus, als wollte er einen Tadel aussprechen. Doch dafür
hingen Maries Anschuldigungen zu schwer im Raum. »Okay, Leute, ihr seht, das
sollte ein Spaß sein. Nehmen wir es den beiden nicht zu übel. Wer ist mit dem
Auto da und kann die alten Boxen aus meinem Keller holen? Fürs Erste müssen die
reichen.«
Es meldeten sich zwei Trompeter. Er gab ihnen die Schlüssel, und sie
verschwanden auf dem Parkplatz. Unterhaltungen brandeten auf, Instrumente
wurden auf Ständer gestellt.
»Zwanzig Minuten Pause«, rief Günter Ehlers.
Die meisten gingen hinaus auf den Parkplatz, Jule wollte ebenfalls
an die frische Luft. Doch Marie hatte keine Lust, sich von den anderen
aufziehen zu lassen. Sie gab vor, ihre Klarinette putzen zu wollen, und blieb
im Saal.
Sorgfältig baute sie das Instrument auseinander und zog den
Putzlappen hindurch. Sie bemerkte nicht, wie Marlon neben ihr auftauchte.
»Hey, Marie. Alles in
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