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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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darauffolgenden Dienstag hatten sich mehrere Kollegen freigenommen.
Zeit genug für einen Kurztrip, fast wie ein richtiger Urlaub.
    Hambrock war ein bisschen neidisch. Ein Kurztrip nach Groningen oder
ein paar freie Tage gemeinsam mit Erlend hätten auch ihm gutgetan. Doch er
hatte am langen Wochenende Bereitschaft, da konnte man nichts machen.
    Nach der Morgenbesprechung kehrte er mit einem Kaffee zurück in sein
Büro und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen. Draußen war die
Wolkendecke aufgerissen, die Sonne schien von einem kalten Himmel. Kaum hatte
er den Computer hochgefahren, tauchte Heike in seiner Tür auf.
    »Hallo, Hambrock. Hast du eine Minute?«
    »Natürlich.«
    Er deutete mit einer einladenden Geste auf den freien Stuhl vor
seinem Schreibtisch. Heike nahm Platz und reichte ihm ein mehrseitiges Formular.
Es war der Antrag auf Versetzung ins Kommissariat Vorbeugung. Hambrock seufzte.
    »Du musst auf der letzten Seite unterschreiben.«
    Er ließ den Antrag sinken.
    »Jetzt guck mich nicht so an«, sagte sie. »Ich frag mich ja selbst,
wie das werden soll. Im Moment ist es ja schon so, dass alle rausfahren, und
ich bleib als Einzige hier sitzen und sortiere die Akten. Stell dir vor, ich
hocke in einer Beratungsstelle und erzähle den Leuten, wie sie ihre Häuser vor
Einbrüchen schützen …«
    »Du wirst das bestimmt sehr gut machen. Außerdem ist das doch
abwechslungsreich. Da hast du ständig mit anderen Menschen zu tun. Mit Schulen,
Jugendgruppen, alles Mögliche.«
    Hambrock lächelte. Natürlich würde ihr die Arbeit in der neuen
Abteilung gegen den Strich gegen, das wussten sie beide. Der Versuch, es
schönzureden, änderte nichts daran.
    Wie würde es in seiner Abteilung aussehen, wenn Heike nicht mehr da
wäre? Keine schöne Vorstellung. Auf wen würde er sich dann stützen können? Wer
würde ihm den Rücken freihalten?
    Er betrachtete ihren Bauch, der sich unter dem Strickpullover leicht
wölbte. Wie hatte er das nur übersehen können? Es war doch eigentlich ganz
offensichtlich. Oder trug Heike ganz einfach keine weite Kleidung mehr, wo alle
ganz offiziell Bescheid wussten?
    Er konnte nicht umhin, die Wölbung schön zu finden. Dort wuchs ein
kleiner Mensch heran. Er musste den Impuls unterdrücken, seine Hand auf ihren
Bauch zu legen.
    »Wie läuft’s denn?«, fragte er und deutete auf den Bauch.
    Sie lächelte. »Ganz gut. Das Schlimmste ist jedenfalls vorbei. Zum
Beispiel muss ich nicht mehr jeden Morgen kotzen. Dafür machen sich jetzt die
Hormone bemerkbar. Glaub mir, wenn diese Vorabendserien laufen, bin ich nur
noch am Heulen. Da reicht es, dass eine im Rollstuhl sitzt und den anderen beim
Tanzen zusieht. Ohne Kleenex kann ich so was nicht mehr gucken.« Sie strich mit
der Hand über ihren Bauch. »Manchmal kann ich das Baby schon spüren. So früh
hatte ich das noch nie. Das sind die schönsten Momente.«
    »Ich habe mir immer Kinder gewünscht. Mindestens drei.«
    Er wusste nicht, weshalb er das gesagt hatte. Es war ihm einfach so
herausgerutscht. Zu spät, um es rückgängig zu machen. Heike betrachtete ihn. Es
blieb ihm nichts übrig, als weiterzusprechen.
    »Ich bin zeugungsunfähig. Habe ich das nie erwähnt?« Natürlich hatte
er das nicht. »Nun ja. Ist auch keine so große Sache. Wir haben damals alles
ausprobiert, aber vergeblich. Wie heißt es so schön: Ein lahmes Pferd gewinnt
kein Rennen.«
    Er dachte an die vielen demütigenden Tests, denen er sich unterzogen
hatte, und die zahllosen Versuche, die seinen Spermien Leben einhauchen
sollten. Ein Vermögen hatte das alles gekostet. Und am Ende war doch nichts dabei
herausgekommen.
    »Für Erlend war es gar nicht so schlimm. Mir fiel es viel schwerer,
mich damit abzufinden. Keine Ahnung, weshalb. Ist wohl so eine Männersache. Wer
verschießt schon gerne Blindgänger?« Er seufzte.
    »Kinder sind was Wunderbares. Sie sind der Spiegel deiner Seele.«
Sie lachte. »Und dann nerven und schreien und quengeln sie, als wollten sie dir
mit aller Macht das Leben zur Hölle machen. Lukas hat im ersten halben Jahr
jede Nacht durchgeschrien. Glaub mir, da bekommst du Mordgelüste. Ich weiß
nicht, wie oft ich gedacht habe: Fenster auf, Kind raus, Fenster zu,
weiterschlafen.«
    »Das hast du nicht!«
    »Wenn du wüsstest, was ich sonst noch alles gedacht habe. Bei zwei
kleinen Kindern und einem Vollzeitjob können die Nerven schon mal blank liegen.
Da möchtest du dich manchmal einfach nur noch in ein anderes Leben beamen.«
    Er

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