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Bullenball

Bullenball

Titel: Bullenball Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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siezen.«
    »Ganz, wie Sie wollen.« Sie zögerte, bevor sie fragte: »Möchten Sie
einen Tee?«
    »Sehr gern. Mit etwas Zucker.«
    Er sah ihr dabei zu, wie sie die Beutel aus der Kanne zog und eine
Tasse aus dem Schrank holte.
    »Haben Sie eine Vermutung, wo Ihr Bruder sich aufhalten könnte?«
    »Nein. Ich …« Sie verharrte in der Bewegung. »Glauben Sie wirklich,
er hat diese Amokdrohungen ins Netz gestellt?«
    »Zumindest wurde sein Computer dafür gebraucht. Nutzt denn sonst
noch jemand seinen Rechner?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Deshalb ist es wichtig, dass wir mit ihm reden.«
    Sie reichte Hambrock die Teetasse und stellte eine Zuckerdose dazu.
Er betrachtete sie. Es sah aus, als wolle sie etwas sagen. Etwas schien ihr auf
der Seele zu brennen.
    »Wieso machen Schüler so etwas?«, fragte sie schließlich.
    »Sie meinen einen Amoklauf?«
    Sie nickte.
    »Da gibt es viele Ursachen. Das kann keiner so genau sagen.«
    »Zum Beispiel?« Es klang wie eine Herausforderung.
    »Nun ja. Zum Beispiel fühlen sich diese Schüler oft ausgegrenzt.
Oder sie werden gedemütigt und erniedrigt. Häufig haben sie keine beruflichen
Perspektiven und keine Erfolgserlebnisse. Da ist das Gefühl, keinerlei
Kontrolle über irgendetwas zu besitzen. Und dann kommen Narzissmus und
Gewaltphantasien dazu.«
    Er nahm seine Tasse und setzte sich an den Küchentisch. Jule
zögerte, doch dann setzte sie sich zu ihm.
    »Wieso fragen Sie? Trifft etwas davon auf Ihren Bruder zu?«
    »Nein. Oder … ich weiß nicht.«
    »Sie wissen es nicht?«
    Sie seufzte. »Ich kann nicht verstehen, wie einer so etwas tun kann.
Wie in Emsdetten oder Winnenden. Natürlich sehe ich, was in den Schulen abgeht.
Da ist ein ziemlicher Konkurrenzkampf. Und außerdem … Aber …« Sie sah ihn
gequält an.
    »Sagen Sie einfach, was Ihnen durch den Kopf geht.«
    »Hier in Brook ist das etwas anderes«, platzte sie heraus. »Mein
Bruder ist in der Jazzband, genau wie ich. Da geht es um Gemeinschaft und
Zusammenhalt, sonst würde das gar nicht funktionieren. Es geht um die Musik,
alles andere ist egal. Es geht nicht um Leistungsdruck, nicht um
Markenklamotten, nicht um Geld. Das spielt alles keine Rolle.«
    »Und deshalb denken Sie, Ihr Bruder hat diese Drohungen nicht
ausgesprochen?«
    »Irgendwie schon. Weil er zur Jazzband gehört. Da darf jeder
mitmachen, verstehen Sie? Da wird keiner ausgegrenzt, weil er anders ist.
Natürlich gibt es auch bei uns komische Leute, um die ich sonst vielleicht
einen Bogen gemacht hätte. Aber wer zur Jazzband gehört, der wird mitgezogen.
Wie bei einer Großfamilie. Sagen Sie selber: Ist das ein Milieu, aus dem
Amokläufer stammen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Neulich war ich mit meinem Verlobten in
Köln. Er hat mir eine Eintrittskarte geschenkt für das Geburtstagskonzert von
James Last: ›Mit achtzig Jahren um die Welt.‹ Ich meine: James Last. Gibt es
etwas Uncooleres? Aber wer wie wir Musik macht, der denkt nicht in so engen
Bahnen. Beim Konzert habe ich die halbe Jazzband getroffen. Alle haben vorher
nichts gesagt, weil es ihnen peinlich war. Aber später meinte sogar Niklas, er
wäre gern dabei gewesen.«
    »Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen. Aber so einfach ist das
nicht. Die Wirklichkeit ist immer kompliziert.«
    Sie schwieg und sah nachdenklich vor sich hin.
    »Haben Sie wirklich keine Idee, wo sich Ihr Bruder aufhalten
könnte?«
    »Wenn es so wäre, würde ich es Ihnen sagen, ganz ehrlich.«
    Hambrock trank seinen Tee aus und kehrte zurück in die Diele.
Suhrkötter tauchte am Treppenabsatz auf.
    »Haben Sie was gefunden?«, fragte Hambrock.
    »Eine Menge Ego-Shooter-Spiele. Und auf seiner Festplatte ein paar
gewaltverherrlichende Tagebucheinträge. Nichts Beweiskräftiges, aber es sind
Indizien.«
    »Und sonst?«
    »Der Vater ist im Jagdverein. Laut Waffenbesitzkarte befinden sich
zwei Handfeuerwaffen und siebzehn Gewehre in seinem Besitz.«
    »Siebzehn Gewehre? Als Jäger?« Hambrock musste lachen. »Das nenne
ich mal Leidenschaft. Wo bewahrt er die auf?«
    »In einem Tresorschrank in seinem Arbeitszimmer. Er hat den
Schlüssel allerdings in seiner Aktentasche. Wir müssen wohl oder übel warten,
bis er hier eingetroffen ist.«
    »Hätte Niklas denn Zugang zu dem Tresor?«
    »Möglich. Der Vater sagt Nein, aber wer weiß schon, wie sorgsam er
seine Schlüssel versteckt. Wir müssen auf jeden Fall in Betracht ziehen, dass
Niklas bewaffnet sein könnte.«
    »Aber Gewissheit haben

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