Bullenhitze
sie vor 21 Jahren, nachdem er sich für zwölf Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet hatte. Seine Karriere dort war zunächst steil verlaufen, kam jedoch nach einem Saufgelage mit anschließender, allerdings nie bewiesener, Vergewaltigung einer weiblichen Gefreiten zum Stillstand. Danach quälte er sich durch die letzten drei Jahre, die er mit einer Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt absaß.
Kurz nachdem er die Truppe verlassen hatte, kam das zweite Kind; ein unbeabsichtigter Randtreffer, wie er gerne verlauten ließ. Danach die Anstellung beim Regierungspräsidium in Kassel. Dort lernte er Anselm Himmelmann kennen, der sich seit Langem in der Politik engagierte und dort Karriere machen wollte. Über ihn kam es zu ersten Kontakten mit der Partei, und als Himmelmann vor vier Jahren zum Bürgermeister der Gemeinde Hofgeismar gewählt wurde, ließ er sich beim RP freistellen und folgte ihm als Referent in den 16.000-Einwohner-Ort nördlich von Kassel.
Dort hatte er in den ersten Monaten schwer mit den Rathausmitarbeitern zu kämpfen, die dem abgewählten Bürgermeister nachtrauerten und in ihm den Drahtzieher von Himmelmanns überaus schmutzigem Wahlkampf sahen. Mit der Zeit jedoch war es ihm, auch aufgrund seiner solide gesponnenen Netzwerke, gelungen, die Mehrheit der Mitarbeiter auf seine Seite zu ziehen. Dass er sich dabei nicht immer sauberer Methoden bediente, war ihm völlig egal. Dann, im Anschluss an eine feuchtfröhliche Weihnachtsfeier, lernte er Werner Kronberger kennen. Die zwei merkten schnell, dass sie aus dem gleichen Holz geschnitzt waren, wenn auch mit anderen Härtegraden. Kronberger, der Bauunternehmer und Macher, und Patzner, der Schleimer und Kriecher, ergänzten sich seitdem zum gegenseitigen Nutzen, was nicht immer zum Vorteil der Gemeinde Hofgeismar sein musste.
Als vor eineinhalb Jahren zum ersten Mal Pläne öffentlich wurden, nach denen in Hofgeismar ein sehr großes Krematorium gebaut werden sollte, waren sowohl Himmelmann als auch Patzner hellauf begeistert. Der Bürgermeister sah in diesem Leuchtturmprojekt ein willkommenes Geschenk an die Gemeinde, um seine Wiederwahl in zwei Jahren abzusichern, während seinem Referenten bewusst war, dass sein Wohltäter und Förderer Kronberger sich von den Bauarbeiten den Löwenanteil schnappen würde.
Bis Roger van Dunckeren, der belgische Industrielle und Inhaber von Eurokrem, dem größten europäischen Krematoriumsbetreiber, zum ersten Mal der Gemeinde seine Aufwartung gemacht hatte. Danach war klar, dass weder viele Arbeitsplätze entstehen würden, weil der Betrieb des Krematoriums nahezu vollautomatisch ablaufen würde, noch die regionale Bauindustrie die Bauarbeiten würde ausführen können, weil van Dunckeren auch eines der größten belgischen Bauunternehmen kontrollierte.
Nach diesem Tag war die zunächst verhalten positive Stimmung innerhalb der Bevölkerung gekippt. Umgehend wurde eine Bürgerinitiative gegründet, unterstützt von der Evangelischen Kirche als Betreiber des Krematoriums in Kassel, also dem nächsten Wettbewerber, und den Oppositionsparteien im Rathaus. Sprecher der BI war Sebastian Bittner, einziges fraktionsloses Mitglied der Stadtverordnetenversammlung, und als ehemaliger Olympiateilnehmer im Zehnkampf einer der wenigen erfolgreichen Söhne der Stadt. Nach einem längeren Hin und Her, vielen Telefonaten, Faxen und E-Mails, Einwänden und Auflagen hatte van Dunckeren vor etwa einem halben Jahr die Nase voll gehabt und seinen Ausstieg aus dem Projekt erklärt. Bis dahin war allerdings von der Gemeinde der größte Teil der Planungsarbeiten erledigt worden. So stand Anselm Himmelmann vor einem Scherbenhaufen, der ihn, wenn es schlecht lief, mit Getöse aus der Rathausführung katapultieren würde.
Ein paar Wochen später tauchte Hubert Altenburg auf, ein Investor aus dem Rheinland, der seit vielen Jahren auf Mallorca lebte, und unterbreitete dem Bürgermeister einen Plan, wie das Projekt noch zu retten sei. Allerdings sah das Memorandum vor, dass die Gemeinde mit ins Boot würde steigen müssen, oder, wie Altenburg es ausdrückte, ›Hofgeismar Geld in die Hand nehmen muss‹. Das wiederum schmeckte Anselm Himmelmann ganz und gar nicht, der mit Blick auf die Finanzlage der Stadt dazu keine Möglichkeit sah. Allerdings lockte der Mallorquinische Unternehmer damit, dass sämtliche Arbeiten garantiert von regionalen Bauunternehmen ausgeführt würden.
Der Bürgermeister wand sich und suchte im Hintergrund nach
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