Bullenhitze
gefallen ist, das wie ein vorgetäuschter Selbstmord aussehen sollte?«
Kronberger räusperte sich. »Das habe ich auch gehört, ja.«
»Und was sagen Sie dazu?«
»Nun ja, was soll ich dazu sagen? Dass es eine dumme Sache ist.«
»So, so, eine dumme Sache ist das«, schnaubte Altenburg ins Telefon. »Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?«
»Doch, natürlich. Es ist natürlich ein schwerer Verlust, speziell für mich persönlich. Immerhin habe ich meinen Vater verloren.«
»Das scheint Sie aber gar nicht so sehr zu belasten, wie man meinen könnte. Auf mich zumindest wirken Sie nicht so.«
»Nun mal ganz ruhig, Herr Altenburg«, konterte Kronberger, der scheinbar seine Selbstsicherheit wiedergefunden hatte. »Der Tod meines Vaters berührt mich natürlich, aber ich habe ab sofort auch ein großes Unternehmen zu leiten, das vielen Menschen Arbeit und Brot gibt. Und diese Aufgabe nehme ich sehr, sehr ernst.«
»Das ist doch das Mindeste, was man von einem Erben erwarten kann. Fühlen Sie sich denn schon in der Lage, in die großen Fußstapfen Ihres Vaters zu steigen?«
»Ich muss doch sehr bitten, Herr Altenburg«, echauffierte Kronberger sich. »Nicht in diesem Ton!«
»Sie brauchen nicht zu denken«, erwiderte der Mallorquiner, »dass ich Sie länger mit meinen Fragen und Vorwürfen belästigen werde. Mit dem heutigen Tag kündige ich nämlich jegliche Geschäftsbeziehung mit Ihnen auf.«
Kronberger spürte, wie ihm das Blut in der Halsschlagader pochte. »Das können Sie nicht machen, Herr Altenburg. Wir haben Verträge, die vom Tod meines Vaters völlig unberührt bleiben. Ich als sein Alleinerbe trete in diese Kontrakte ein.«
»Den Zahn muss ich Ihnen leider ziehen, junger Mann. Sie waren mir schon bei unserem Gespräch neulich zutiefst unsympathisch mit Ihrem neumodischen BWL-Sprech. Glücklicherweise bin ich auf das Projekt in Hofgeismar nicht angewiesen und mit dem Tod Ihres Vaters erlischt auch der letzte Funken Interesse daran bei mir. Suchen Sie sich einen anderen, mit dem Sie dieses Spielchen spielen können, das Sie da ausgeheckt haben. Und passen Sie auf, dass Sie nicht von dem Tsunami unter Wasser gedrückt werden, den Sie gerade im Begriff sind, auszulösen. Guten Tag.«
Roland Kronberger starrte den Telefonhörer an, doch das Gespräch war beendet. Und auch wenn er Altenburg gerne hätte zurückrufen wollen, dessen Privatnummer auf den Balearen hatte sein Vater mit in den Tod genommen.
Roland Kronberger, 35 Jahre alt, zwei abgeschlossene Studiengänge, Single und Motorradnarr. Und mit dem Tod seines Vaters ad hoc zum Chef der größten Bauunternehmung Nordhessens aufgestiegen.
Dabei hatte es in den letzten Jahren überhaupt nicht danach ausgesehen, dass er eines Tages tatsächlich einmal ein Bauunternehmer werden würde. Nach dem Tod seiner Mutter vor knapp fünf Jahren hatte er sich monatelang von der Außenwelt abgekapselt und zurückgezogen, um dann mit einem Mal zu verkünden, dass er nach New York gehen würde, um Psychologie zu studieren. Sein Vater war aus allen Wolken gefallen, konnte jedoch nichts dagegen tun, und zum Schluss finanzierte er das teure Studium sogar noch. Dabei wäre er gar nicht dazu verpflichtet gewesen, und außerdem hatte die verstorbene Frau Kronberger ihrem Sohn ein beachtliches Erbe hinterlassen, von dem allein er vermutlich bis ans Ende seiner Tage bequem hätte leben können. Aber Roland Kronberger zeigte sich als ehrgeizig, manisch ehrgeizig. Der Therapeut, mit dem er in New York zusammenarbeitete, wies ihn einmal darauf hin, dass die Ursache dafür vermutlich in dem gestörten Verhältnis zu seinem Vater lag. Er wollte einfach immer besser sein als der alte Kronberger und ihm jeden Tag aufs Neue damit beeindrucken, dass er es auch allein, ohne den Beruf Sohn, im Leben zu etwas bringen würde. Dann, nach abgeschlossenem Studium, kam er zurück. Er suchte sich einen Job bei einer Unternehmensberatung in Frankfurt, wo die Arbeit ihm aber nach wenigen Wochen gewaltig auf die Nerven ging. Immer musste er seine Aktivitäten rechtfertigen, Weisungen entgegennehmen und Berichte über noch so kleine Schritte erstellen, die er gehen wollte. Nach einem halben Jahr kündigte er seinen Ausstieg an, sodass er nach einem Jahr der Betriebszugehörigkeit ohne das geringste Bedauern ausschied.
Und dazu noch Frankfurt. Er war schon froh gewesen, dass er nach den Jahren in New York nicht sofort wieder nach Kassel zurückkehren musste, weil ihm das unmöglich
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