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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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der Zettel, auf dem stand: Halt dich raus, alter Mann. Jetzt ahnt er, dass der Zettel nicht irgendwo lag, sondern eventuell auf einem toten Mädchen. Das tut mir leid für den Calabretta, ich weiß, dass er sich verarscht vorkommen muss, und wir haben ihn ja auch verarscht, der Faller und ich. Wir wollten einfach nicht, dass er alles weiß. Wir wollten ihn so wenig wie möglich mit reinziehen. Es tut mir leid, ruft es in mir, es tut mir leid! Aber ich bringe keinen Ton heraus, und die eigentliche Information ist natürlich: Der Faller hat das Mädchen nicht umgebracht! Das, was ihn und mich so lange umgetrieben hat, die Frage, was genau in dieser Nacht passiert ist, die Angst, dass vielleicht doch der Faller selbst ausgerastet sein könnte, warum auch immer – all das löst sich in diesem Moment auf.
    Es löst sich nur langsam, der schwere, schwarze Brocken lichtet sich in Zeitlupe, aber ich spüre, dass er verschwinden wird.
    Ich kann kaum atmen und halte mich weiter an der Wand fest.
    Der Calabretta wirft mir einen langen Blick zu, und dieser Blick ist ein Cocktail aus Enttäuschung, Wut und Erleichterung. Aus Krasniqis Augen fallen währenddessen säckeweise Fragezeichen, aus denen vom Inceman auch. Letztlich weiß keiner von uns, was hier gerade vorgeht. Und, tut mir leid, ich kann da leider auch nichts machen. Der Raum um mich herum fühlt sich an wie in Einzelteile zerlegt. Das muss jemand wieder zusammenbauen. So kann ich mich doch nirgends festhalten. Und ich muss mich weiter festhalten.
    Der Calabretta hört auf, mich anzukucken, und übernimmt die Bauarbeiten. Erst mal Nerven bewahren: Er setzt sich wieder an den Tisch, und er bringt Krasniqi dazu, sich auf ihn zu konzentrieren. Er nimmt seine zitternden Hände und drückt sie vorsichtig auf die Tischplatte. Dort hält er sie fest, als wären es die Hände einer Frau.
    Zuerst beruhigt sich das Zimmer.
    Dann der Inceman.
    Dann Krasniqi.
    Und auch ich spüre: Die Wände hören langsam auf, über mir zusammenzubrechen. Sie stellen sich hin. Sie halten. Ein paar Sekunden noch, ein paar Mal durchatmen, dann ist alles fast wieder so, wie es war, bevor ich den Vernehmungsraum betreten habe. Der Inceman lehnt hinter Krasniqis Rücken an der Wand. Krasniqi sitzt selbständig und hält die Hände ruhig auf dem Tisch. Der Calabretta sitzt vor ihm und sieht ihn an. Mich beachtet keiner, und das ist mir auch sehr recht. Ich bin das blasse Häufchen direkt neben der Tür. Ich will hier raus. Ich will den Faller anrufen. Ich will bitte sofort den Faller anrufen.
    »Sie haben das Mädchen also nicht umgebracht«, sagt der Calabretta, und er schiebt ein »Herr Krasniqi« hinterher.
    »Ich habe sie nicht umgebracht.«
    »Wer hat sie denn umgebracht?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Herr Krasniqi, Sie merken bestimmt, dass ich gewillt bin, Ihnen zu glauben.«
    Krasniqi nickt.
    »Dann müssen Sie uns aber auch ein bisschen helfen.« Der Calabretta packt seine Psychologen-Nummer aus. Nicht seine Lieblingsnummer, nicht die Deluxe-Variante, aber für Krasniqi sollte es reichen.
    »Ich weiß es nicht, das schwöre ich, Herr Kommissar. Ich habe sie nur abgeholt und sie neben diesem Polizisten ins Bett gelegt.«
    Ich sehe, wie sich die Kiefermuskeln vom Inceman anspannen. Er hat immer noch keine Ahnung, was hier gespielt wird, er weiß nur, dass er sich raushalten muss. Das fällt ihm schwer.
    »Wo haben Sie das tote Mädchen abgeholt?«
    »Na, im Puff.«
    »In welchem Puff?«
    Krasniqi presst die Lippen zusammen. Er will seinen Arsch retten. Dafür muss er auspacken. Nur: Wenn er auspackt, kann er sich genausogut erschießen. Sein Chef ist da nicht besonders großzügig, das ist allen in diesem Raum klar.
    »Weiß nicht mehr«, sagt er. »Ich war betrunken. Ist auch schon viele Jahre her.«
    »Sie waren noch sehr jung damals, nicht wahr?«
    Krasniqi kuckt auf seine Fingerspitzen.
    »Ja. Ich war jung.«
    »Für wen haben Sie das gemacht, das mit dem Mädchen?«
    Keine Antwort.
    »Für wen arbeiten Sie, Herr Krasniqi?«
    Ah. Jetzt.
    Krasniqi sieht den Calabretta an.
    Er kann auf diese Frage nicht antworten, ohne sein Leben zu riskieren. Denn so geht das System des Albaners: Brutalität und Verschwiegenheit und Gehorsam. Und dann noch die Gier nach Macht und Geld am Brennen halten.
    Krasniqi sagt: »Eine Zigarette, bitte.«
    Ich reiße mich von meiner Wand los und bewege mich auf den Tisch zu, an dem Krasniqi und der Calabretta sitzen.
    Stelle erstaunt fest, dass ich laufen

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