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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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eigentlich dem Kollegen Inceman?«, fragt Bruns. »Hat’s ihn so viel schlimmer erwischt als uns?«
    »Wissen wir nicht genau«, sagt der Calabretta. »Wir dürfen erst morgen zu ihm.« Er gießt sich einen Schluck Wasser in ein Glas, trinkt und fragt mit einem Blick in Richtung Brückner und Schulle:
    »Hängt ihr euch weiter an Schubert ran?«
    Gemeinschaftliches Nicken.
    »Dann übernehmen wir Oenninger?«, fragt er mich.
    »Machen wir«, sage ich, nehme mir auch ein Glas mit Wasser und schlucke alles runter, was mir so in der Kehle und auf der Seele klebt.
    Na dann mal los.

    * * *

    Wir sitzen in Calabrettas dunkelblauem Alfa, ich rauche, der Calabretta knackt Pistazien. Der Alfa steht im Schutz einer großen Kastanie, es ist halb zehn, die Dämmerung kann sich nicht entscheiden, ob sie uns schon zudecken will oder ob ihr das jetzt noch zu albern ist. Vor dem Alfa hockt ein Kaninchen und starrt die Motorhaube an. In der Villa des Ehepaars Oenninger brennt Licht, aber nur ein bisschen. Frau Oenninger prüsselt irgendwas in der Küche, Herr Oenninger hängt vor der Glotze. Ab und zu steht er auf, kommt dann aber gleich wieder. Wahrscheinlich die Prostata.
    Ansonsten passiert nichts.
    Knallharte Observierung, brutal langweilige Zielperson.
    »Hm«, sagt der Calabretta und knackt seine hundertfünfundsiebzigste Pistazie. »Ich bin so scheißmüde. Ich könnte auf der Stelle einschlafen.«
    Ich zünde mir noch eine Zigarette an und kucke auf die Uhr.
    »Um Mitternacht hauen wir ab«, sage ich. Alleine pack’ ich diese unfassbar öde Vorstellung hier auch nicht.
    Mein Telefon klingelt. Der Faller ist dran.
    Er klingt, als wäre er außer Atem.
    »Verdammt, mein Mädchen«, sagt er. »Ich hab gerade erst gehört, was da bei euch gestern Abend los war. Geht’s Ihnen gut?«
    »Keine Sorge, Faller«, sage ich, »ich komm’ schon durch.«
    »Wie geht’s dem Calabretta?«
    »Sitzt hier neben mir«, sage ich und reiche das Telefon weiter.
    »Moin«, sagt der Calabretta. Und dann sagt er: »Geht schon, wirklich.«
    Er gibt mir das Telefon zurück. Das Kaninchen hüpft weg.
    »Wo seid ihr beide denn?«, fragt der Faller.
    »Wir machen ’ne Observation«, sage ich, »in Groß Flottbek.«
    »Gegen wen?«
    Ich kucke den Calabretta an. Der kuckt zurück, schiebt das Kinn nach vorne und schmeißt eine Pistazienschale zum Fenster raus. Heißt so viel wie: von mir aus.
    »Faller«, sage ich, »haben Sie heute Nacht schon was vor?«
    »Brauchen Sie Hilfe?«
    Ich sage ihm, wo wir stehen.
    Er will nicht wissen, worum es geht, er stellt keine Fragen. Er sagt nur: »Ich bin in fünfzehn Minuten da.«

XI.
    IRGENDWAS FEHLT IMMER

    Das einzige Grab, an dem ich jemals stand, war das Grab meines Vaters in Bellehaven, North Carolina.
    Und das wird vorerst auch so bleiben.
    Ich lehne am Heck von Calabrettas dunkelblauem Dienstalfa, habe die Kollegen vorgeschickt und schon die fünfte Zigarette geschafft. Irgendwas muss ich ja auch tun, während die anderen unsere beiden toten Kollegen auf ihrem Weg in die Erde ein Stück begleiten. Ich fühle mich wie ein Idiot, ich hab’s einfach nicht geschafft mitzukommen. Es ging nicht. Ich war wie am Autositz festgetackert. Inzwischen hab ich’s ja immerhin bis nach draußen geschafft.
    Und wer weiß, vielleicht gehe ich meinen Kollegen später ja ein bisschen entgegen.
    Ich zünde mir noch eine Zigarette an und kucke auf die Uhr. Die Jungs sind seit zwanzig Minuten weg.
    Dieser Friedhof hier ist eigentlich ganz schön.
    Alte Bäume, Efeu, Engel aus Stein.
    Wenn nur die Leute nicht so traurig wären.
    Ich gehe einmal ums Auto herum und lehne mich gegen die Motorhaube. Direkt vor mir landet ein Spatz auf dem Weg und pickt ein bisschen im Sand.
    »Na?«
    Der Spatz kuckt mich an.
    Ich hab neulich in der Zeitung gelesen, dass die Spatzen bedroht sind. Früher waren die Städte voll von ihnen, heute wird jeder Riss im Gebälk wegsaniert, da finden die Spatzen kein Zuhause mehr. Und jetzt, wo ich mir den Spatz so ankucke, wird mir klar, dass ich seit Ewigkeiten keinen mehr gesehen habe.
    Auf Friedhöfen wird dann wohl offenbar noch nicht saniert.
    Ich ziehe an meiner Zigarette.
    »Bist du alleine hier?«
    Der Spatz piept. Klein und schnell. Klassisches, lange nicht gehörtes Spatzenpiepen.
    »Ich auch, irgendwie.«
    Der Spatz fängt wieder an, im Sand zu picken.
    »Aber ich darf mich nicht beschweren. Ich bin am Leben. Weißt du, das ist mehr, als die meisten hier von sich behaupten können.«
    Der Spatz

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