Bullet Boys
Griffen der Gewehre war nicht ein Fleck und die Läufe glänzten, weil Tim sie poliert hatte.
»Du musst deine Waffen sauber halten«, hatte er gesagt. »Sonst kann es Fehlzündungen geben.«
Alex fuhr mit dem Finger über die Gewehre. Es waren fünf. Tims 5.6-mm-Luftgewehr, eine Beretta Silver Pigeon, ein 7-mm-Mauser-Jagdgewehr, ein alter Schlachtschussapparat, ein Erbstück von Alex’ Großvater, und Alex’ eigenes Luftgewehr, ein 4.5-mm-Crosman, das er zu seinem zwölften Geburtstag bekommen hatte.
Hin und wieder kam jemand von der Polizei vorbei und verglich die im Register verzeichneten Waffen mit denen, die im Schrank standen. Es wurde überprüft, ob die Waffenscheine noch gültig waren und ob der Waffenschrank verschlossen gehalten wurde.
Alex nahm die Flinte herunter und spürte ihr Gewicht in seinen Händen. Er legte an und zielte durch den Flur aus der offenen Tür hinaus. Die Flinte war nicht geladen. Tim war ein totaler Sicherheitsfanatiker. Durch das Visier konnte Alex das Moor sehen, das sich in der Ferne blau-violett auftürmte. Wenn Alex die Flinte herunternahm, blickte er auf Wald und Wiesen. Am Himmel flogen zwei Holztauben.
»Du hast Köpfchen«, hatte Mr Goulders, sein Geschichtslehrer, zu ihm gesagt, bevor Alex abgegangen war. »Mach was draus. Du willst doch nicht den Rest deines Lebens hier in der Provinz verbringen, oder? Du würdest dich zu Tode langweilen. Dir stehen alle Türen offen. Du brauchst nicht dein Leben lang Fasane zu züchten. Du kannst zur Uni gehen und dann steht dir die Welt offen.«
Alex hatte nicht geantwortet. Wie hätte er erklären können, dass er nichts weiter wollte, als Vögel zu züchten und draußen an der frischen Luft für das Stonebridge-Gut zu arbeiten? Und er machte überhaupt nicht immer dasselbe. Im Winter war Jagdsaison, da hatten sie alle Hände voll zu tun, und im Sommer drehte sich alles um die Aufzucht der Jungvögel. Und dann gab es noch die Arbeit an den Hecken und auf dem Feld.
Was sollte er auf der Universität?
Er spürte eine kalte Nase an seiner Hand. Gaffer, sein schwarzer Spaniel, hatte sich zu ihm gesellt. Gaffer war alt geworden, war schon fast sechzehn und konnte Alex nicht mehr auf langen Wegen durchs Moor oder auf die Jagd begleiten. Alex fing einen Floh vom alten, breiten Rücken des Hundes und zerknackte ihn zwischen den Fingernägeln.
»Na, Lust auf ein Kaninchen, du alter Flohfänger?« Alex kraulte ihn am Hals und der Hund grunzte vor Freude. Früher waren die beiden unzertrennlich gewesen. Wo immer Alex hinging, war Gaffer ihm gefolgt. Seine ganze Kindheit über war Alex mit seinem Hund auf dem Gelände des Guts herum und durchs Moor gestromert.
Stonebridge war ein riesiges Anwesen, zu dem über 200 Hektar Moor und Ackerland gehörten. Der Eigentümer, Tony Delaney, lebte außerhalb der Jagdsaison fast das ganze Jahr über im Ausland und überließ es dem Verwalter Jason Slaker und Alex’ Dad Tim, den Betrieb am Laufen zu halten. Jason kümmerte sich um die Schafe und Tim managte die Vogelzucht. Sie zogen Fasane, Moor- und Rebhühner. Und im Winter wurde geschossen. Das Gutshaus, ein großes, imposantes Gebäude unten am Fluss, wurde im Sommerfür Hochzeiten und Konferenzen vermietet. Im Winter richtete sich Delany dort häuslich ein und beherbergte die Jäger. In dieser Zeit hatten Alex und sein Dad jede Menge zu tun, sie arrangierten die Jagdausflüge, besorgten die Treiber, kümmerten sich um die Gewehre und die Hunde und bereiteten zweimal am Tag riesige Mahlzeiten für alle. Alex gefiel das alles sehr, aber ein Jahr, nachdem er von der Schule abgegangen war, hatte sein Dad darauf bestanden, dass er auf die Fachoberschule in Hammerton ging, um zumindest die Fachhochschulreife zu erlangen. Tim sagte, wenn er das nicht jetzt tun würde, dann nie. Inzwischen hatte Alex nur noch ein Jahr vor sich, aber er konnte es kaum erwarten, dass es vorbei war. Auch wenn die Fachoberschule besser war als seine alte Schule – es gab weniger Rumgeprahle und blöde Anmache –, freute er sich, bald fertig zu werden. Dann würde er frei sein für das Leben hier oben. Wozu er Erdkunde, Mathe und Technologie auf dem Niveau der Hochschulreife brauchte, war ihm ein Rätsel.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Sein Vater stand in der Tür, auf der Wange hatte er einen kleinen Ölfleck. Er grinste seinen Sohn an. »Endlich achtzehn.«
»Hurra«, sagte Alex. Sein Geschenk hatte er schon bekommen. Ein gebrauchtes Apache Quad, das
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