Bullet Boys
zuHause an meinem Computer mit meiner Beatbox und dem unsagbar coolen Mikrofon, das ich mir zu Weihnachten gewünscht hatte, auf meinem Computer aufgenommen. Ich hatte schon fast eine Band zusammen, aber dann bin ich von der Schule geflogen. Und das ist echt ätzend, denn ich brauche Gerry für die Computermusik (ich habe noch nicht mal das Handbuch gelesen – ich bin der Künstler, die untergeordneten Tätigkeiten überlasse ich ihm), aber ich habe ihn seit über einem Monat nicht gesehen.
Der Bus fährt vor und spuckt meine Nachbarin aus der Hölle, Mrs Simson, aus, die mich bis heute für meine kindischen Streiche aus vorsintflutlichen Zeiten verachtet und immer so tut, als sähe sie mich nicht. Ich klettere in den Bus und zeige dem mürrischen Fahrer meine nagelneue Monatskarte. Ich hoffe, er ist nüchtern, mein Leben liegt in seiner Hand. Vorne ist kein Platz frei, deshalb muss ich an allen vorbeigehen. In der ersten Reihe sitzen zwei Mädchen, dahinter eine Mutter mit einem rotznasigen Kleinkind und ein Mann, der aussieht wie der Zeitenvater persönlich und jeden Moment aufwachen könnte oder auch nicht. Ich glaube, die Leute haben Angst vor mir, denn sie geben sich große Mühe, mich nicht anzugucken. Meine neuen Lackschuhe, schwarz und sehr spitz, wie die von einem Kobold auf einer Hochzeit, scheuern an den Fersen. Sehen aber cool aus. Ich schwinge mich dankbar auf einen freien Platz, schiebe meinen knochigen Hintern zum Fenster rüber und lehne mich an die Scheibe. Ich drehe meinen Player lauter. Hinter mir sitzt ein dicker fetter Mann. Ich spüre, wie sich seine Glupschaugen in meinen Nacken bohren. Ich ziehe den Kragen hoch, sodass sein Röntgenblick nicht meine Haut verletzt.
Es ist Mittag. Benji, Francisco und Gerry werden sich wohl gerade den Schulfraß reinschieben. Das Essen auf der Risings ist erstaunlich schlecht, wenn man bedenkt, was für eine astronomische Summe Schulgeld meine Eltern bezahlen mussten. Das ist vorbei. Da ich nun auf eine staatliche Schule gehe, sparen sie viele tausend Pfund. Wenigstens dafür sollten sie dankbar sein. Ich starre aus dem Fenster, tue so, als interessierte ich mich fürs Moor, das wie ein Kopfschmerz hinter den Hügeln lauert. Ich glaube, die Mädchen vorne flüstern über mich. Ob die auch auf die Hammerton gehen? Ich halte mich äußerst ungern in geschlossenen Räumen wie diesem Bus auf. Alle tun so, als interessieren sie sich überhaupt nicht für die anderen. Wir sind wie Wespen, die in einer Schachtel stecken und entspannen sollen. Ich bin total kribbelig. Ich hätte nicht übel Lust, denen meinen nackten Arsch zu zeigen, wenn da nicht dieses Ungeheuer hinter mir wäre.
Vor einem Monat, als das alles passiert ist, hatte ich gehofft, ich wäre danach total angesagt. Immerhin war ich seit fünf Jahren der Erste, der von der Schule geflogen ist. Aber leider kam es anders. Meine Freunde scheinen sich immer weiter von mir zu entfernen. Als wollten sie mich abschütteln. Ist schon komisch, wenn man im Klassenzimmer hockt, möchte man unbedingt raus in die Welt. Aber wenn man erst mal draußen ist, ist alles nur grau. Von der Schule fliegen ist nur für Idioten paradiesisch.
Ich versuche, meiner Mutter aus dem Weg zu gehen, weil sie meine Gegenwart nicht erträgt. Erst hat sie entweder geweint oder sie war wütend oder beides und hat mir ohne jede Vorwarnung vorgelabert, was für eine Enttäuschungich sei. Doch seit dem Offiziersball und Simons Abschlusszeremonie ist sie wieder in Form. Sie lässt umbauen, nicht zum ersten Mal. Unser Haus wimmelt von blasierten Architekten und staubigen Stuckateuren und abgedrehten Elektrikern. Das Klopfen und Kratzen und die eklektischen Kommentare der Architekten dringen bis in jeden Raum. Es gibt kein Entkommen. Zum Glück hat mich die FOS trotz meiner üblen Reputation angenommen. Wahrscheinlich hat Dad den Direktor bestochen. Seit zwei Tagen bin ich dort und habe noch keine Freunde. Niemand redet mit mir (wissen die denn schon Bescheid?). Ist schon okay. Das bedeutet, dass ich alles beobachten, abwägen und die nächsten Schritte planen kann.
Meine alte Schule – die Risings – ist nur zwei Meilen von zu Hause entfernt. Simon und ich sind früher nebeneinander auf unseren Mountainbikes die schmalen Alleen langgedüst. Jetzt muss ich mit dem Bus in die aufregende Marktstadt Hammerton fahren, zwölf Meilen eine belebte Straße entlang. Ich bin in jeder Hinsicht degradiert worden.
Endlich bleibt der Bus vor dem flachen
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