Bullet Boys
sein Leben zu geben. Und ehrlich gesagt, wenn es wirklich zum Krieg käme, ich könnte niemanden töten. Du?«
»Nein«, sagte Alex. »Niemals.«
Levi stand auf. »Komm, ich will mir diesen Hof mal näher angucken. Was meinst du, wie lange wir bis dahin brauchen?«
»Die größte Strecke können wir wahrscheinlich mit dem Quad fahren. Aber vom Sumpf an müssen wir laufen«, erwiderte Alex.
Selbst mit dem Quad kamen sie nur langsam voran. Es dauerte zwanzig Minuten, bis sie zum Sumpf im Tal gelangten. Die Jungs stiegen vom Quad und setzten ihren Weg zu Fuß fort.
Alex guckte in seine Tasche. Die Wasserflasche war schonziemlich leer, aber hinter dem nächsten Hügel gab es eine Quelle. Er war eine ganze Weile nicht mehr hier unten gewesen. Die Arbeit mit der Geflügelzucht war immer intensiver geworden und auch die Fachoberschule kostete Zeit. Trotzdem, die Schafspfade im Heidekraut waren immer noch dieselben. Sie folgten einem, der sich hügelabwärts wand. Levi war ziemlich still für seine Verhältnisse, aber erstaunlich fit, wie Alex bemerkte. Er selber schwitzte und schnaufte, Levi dagegen schien nicht mal außer Atem zu sein. Levi war bestimmt einen Kopf kleiner als Alex, aber er war muskulöser. Alex war ebenfalls stark, aber drahtiger und nicht so stämmig wie Levi. Während sie bergab liefen, platzten um sie herum die Früchte des Stechginsters auf. Über dem Hügel vor ihnen flimmerte die Hitze.
Ein Stück weiter weg stand ein Zaun mit Stacheldraht obendrauf. Die acht Hektar Land, die zum Strangeways-Hof gehörten, waren eingezäunt, die Weiden wurden aber nicht genutzt. Niemand wollte seine Schafe im Sperrgebiet grasen lassen, denn dort konnten noch scharfe Sprengstoffe oder auch Munitionsreste herumliegen. Für Alex waren das tote Weiden, außer Kaninchen und Ratten lebten dort keine Tiere. Levi steuerte gleich auf den Zaun zu. Alex dachte, das wäre wahrscheinlich ungefährlich, denn es war niemand hier draußen und sie befanden sich immer noch auf öffentlichem Gelände. Doch zunächst wollte Alex seine Feldflasche in dem Bach auffüllen, der durchs Gestrüpp lief. Er hatte sein Leben lang Wasser aus dem Moor getrunken und war daher vermutlich gegen jedwedes Ungeziefer immun. Levi fürchtete sich anscheinend überhaupt nicht vor Ungeziefer. Als er an den Bach kam, schaufelte er sich das Wasser ins Gesicht und in den Mund.
»Wir sind echt am Ende der Welt«, sagte er und setzte sich.
»Genau«, stimmte ihm Alex zu. »Die nächste richtige Straße ist ungefähr drei Meilen von hier. Das nächste Haus liegt im nächsten Tal und das ist ein Ferienhaus. Und hier wandert auch keiner, weil’s nicht so schön ist wie anderswo und weil hier das Sperrgebiet ist.«
Levi stand auf und bahnte sich seinen Weg durch die Heide zum Zaun. Mit dem Stacheldraht war er bestimmt drei Meter hoch. Das alte Bauernhaus mit seinen Nebengebäuden war kaum zu sehen, denn um den Hof herum waren Holunder, Nesseln, Brombeeren und kleine Bäume gewachsen. Nur die grauen Schieferdächer hoben sich aus der grünen Umgebung hervor.
»Ich würde gerne da rein«, sagte Levi.
»Geht nicht«, sagte Alex bestimmt.
»Doch, geht«, sagte Levi. »Guck mal da.« Ein Stückchen weiter war ein kleines Loch im Zaun. Zwar stand das Gras dort ziemlich hoch, aber man konnte durchschlüpfen. »Warum sind nicht überall Stacheldraht und Überwachungskameras?«, fragte Levi.
»Weil wir mitten im Dartmoor sind und auf dem Gelände bloß ein paar alte Gebäude stehen. Da gibt es nichts zu schützen. Wer würde denn ein Übungsgelände der Armee betreten wollen?«
»Ich«, sagte Levi. »Ich finde das spannend.«
»Ich geh da nicht rein«, sagte Alex.
Levi legte den Kopf zur Seite. »Hier ist niemand. Ich will mich doch bloß ein bisschen umgucken.«
»Nicht mit mir«, sagte Alex. »Aber von hier oben hast du eine bessere Aussicht.« Er führte Levi am Zaun entlang zueinem kleinen Gehölz. Dort fiel das Gelände steil ab und sie konnten das alte Bauernhaus deutlich sehen. Der Putz fiel von den Wänden, die voller Einschüsse waren, und die Fenster waren mit Metalljalousien verschlossen. Im Garten waren die Wildkräuter hüfthoch gewachsen, Samen und kleine Blättchen taumelten wie Schmetterlinge in der leichten Brise. Die Nebengebäude standen hufeisenförmig um einen zementierten, leeren Platz.
»Die haben alles demoliert«, sagte Levi.
»Ich glaube, das ist der Sinn der Sache«, sagte Alex. »Denk doch mal an die Bilder vom Krieg im
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