Bullet Boys
falls er nicht weiß, wovon ich rede. Wenn ich Pornos an der Wand hätte, würde meine Mutter einen Schock erleiden, schon allein wegen des Klebebands, das die Tapete ruiniert.
»Mum denkt, das ist nur so eine Phase, die ich durchmache«, sagt Levi. »Sie nennt sie ›meine Ehefrauen‹.« Er holt Luft. »Max, dein Bruder ist bei der Armee, stimmt’s?«
Ich nicke gelangweilt.
Levi kratzt sich am Kopf. Er möchte irgendeine kritische Bemerkung machen, traut sich aber nicht.
»Was?«, sage ich. Dann kommt mir ein blöder Gedanke. Vielleicht fragt er das ja, weil er BESCHEID weiß? »Was?«
»Schon gut«, sagt Levi. Er blickt mich an. »Max, du bistnicht von der Schule geflogen, weil du Essen geklaut hast, stimmt’s?«
Autsch, ein Tiefschlag. Wo kam der denn her? Ich merke, dass ich nervös werde.
»Komm schon«, sagt Levi. »Ich bin ein großer Junge. Ich kann es ertragen.«
Jetzt geht’s mir besser. Levi weiß NICHT Bescheid. Er ist nur CLEVER. Ich schaue zu seinen ›Ehefrauen‹ rüber. Und vielleicht, ganz vielleicht, könnte es sein, dass er gar nicht ausflippen würde, wenn er erführe, was ich getan habe. Schließlich ist nicht jeder ein stocksteifer Cosgrove. Oder ein schulgeldzahlender Vater, der seinen Liebling für Oxbridge trimmen lässt.
»Hast du Essen geklaut?«, insistiert Levi.
»NÖ«, sage ich laut. So, jetzt bin ich von dieser Futterlüge befreit. Ich verschränke meine Arme, lehne mich an die Wand und sinke in Levis weichen Teppich. Die Raumfahrtuhr lässt laut tickend die Sekunden verstreichen.
Levi nickt. »Danke, Max. Ich schätze deine Ehrlichkeit.« Er klingt wie ein Sozialarbeiter im Stuhlkreis und ich spüre eine klitzekleine Verärgerung aufsteigen. Er blickt mich von der Seite an. »Wirst du mir eines Tages die ganze Wahrheit sagen?«
»Wahrscheinlich nicht«, erwidere ich.
»Gut. Ich muss mit jemandem reden, der schweigen kann. Du kannst das offensichtlich. Kannst du ein Geheimnis bewahren?« Mann, der guckt mich vielleicht kritisch an.
»Meistens«, sage ich. Was ist hier los? Werde ich gerade in den inneren Zirkel der Hammerton-FOS aufgenommen?
»Guck dir das an.« Levi kniet neben seinem Bett, langtdarunter und zieht ein längliches Ding heraus, das in eine Decke eingewickelt ist. Er legt es auf das Bett und schlägt die Decke zur Seite. Ich spüre, wie mir die Spucke im Mund zusammenläuft, als würde ich eine Zitrone essen.
Da liegt ein Gewehr.
O Mann! Ich kriege eine Gänsehaut. Das ist wirklich ein Ding. Ich blicke die Waffe an und fühle mich zu ihr hingezogen wie ein Vampir zu einer Jungfrau.
»Gehört das dir?«
Levi antwortet nicht.
Das Gewehr ist schwarz von Fett. Ich fahre mit meinem Finger über den Lauf. Ein wunderbares Gefühl. »Funktioniert das?«, frage ich leise. So etwa muss sich Gollum mit dem Ring gefühlt haben.
»Wir glauben, ja«, sagt Levi. Er guckt mich scharf an. »Es gibt noch mehr, Max, noch ganz viele.«
Und dann erzählt er mir eine Geschichte von ihm und Alex und dem Moor und einem alten Schuppen und Massen solcher Gewehre. Ich bin so aufgeregt, dass ich Mühe habe, die Einzelheiten mitzubekommen. Das ist genial . Das ist der schiere Wahnsinn. Levi sagt, er sei letzte Nacht mit dem Fahrrad ins Moor gefahren, sei dann zu Fuß bis zu der Stelle gegangen und habe eine der Waffen als Souvenir mitgenommen. Er sagt, Alex will mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben, ist aber eigentlich der Meinung, sie sollten die Polizei einschalten.
»Und was denkst du?«, frage ich geschmeidig.
»Wir haben im Internet geguckt«, antwortet Levi. »Alex meint, jedes ist zwischen 500 und 2000 Pfund wert, je nach Zustand. Und da unten lagern mindestens hundert Gewehre.«
Levi seufzt. »Ich hätte so gerne, dass meine Mutter mit diesem Scheißjob aufhören kann. Der Geschäftsführer, der … na ja, egal. Das Geld wäre gut.«
»Das Geld wäre genial«, sage ich. »Aber mal abgesehen davon, ist das doch richtig cool.« Ich kneife die Augen zusammen. »Ich will eins haben.«
Natürlich würde ich nicht damit schießen . Aber ich würde mich gleich viel besser fühlen, wenn ich wüsste, ich hätte ein Gewehr. Einfach so.
Levi runzelt die Stirn, der Gute. »Das sind keine Spielzeuge. Ich habe nur gedacht, vielleicht hat dein Bruder irgendwelche Kontakte, weil er doch bei der Armee ist. Dass er jemanden kennt, der sie kaufen würde.«
»Also willst du Waffenhändler werden?«
Levi fällt der Unterkiefer runter. »Nein, wahrscheinlich nicht. Das
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