Bullet Boys
manchmal geradezu aufreizend treu und edel sein. Spielverderber. Außerdem ist er heute anders als sonst. Er ist empfindlich und bissig wie eine Krabbe an Land.
»Was würdest du tun, wenn du einen Haufen Knete hättest?«, fragt Levi plötzlich. »Ich meine richtig viel, sagen wir zehntausend Pfund?«
Ha! Er hat mir meine miesen kleinen Witzchen verziehen. Ich denke oft an Geld. Alle machen das. Ich habe sogar einen kleinen Rap darüber gemacht.
Wie krieg ich bloß Geld / krieg ich bloß Geld?
Her mit dem Zaster / her auf mein Pflaster
will schwelgen im Moos / mit Marie auf dem Schoß
will Asche in der Tasche / und Moneten zum Kneten
doch die Flöhe sind nicht auf der Höhe, Mann
echt, diese Armut ist doch öde, Mann
Ich blicke Levi skeptisch an. Soll ich ihm den verraten? Die folgenden Zeilen hauen voll rein, und sollte Levi meine Raps mögen, könnte er vielleicht mein neuer Partner beim Reimen werden.
»Ich würde meiner Mutter einen Campingwagen kaufen«, sagt Levi. »Sie hat sich schon immer so einen Bus mit hochklappbarem Dach und Klo gewünscht. Dann würde ich einen Crashkurs bei einer Fahrschule machen (das Wortspiel war nicht etwa beabsichtigt!) und mir einen silbernen Porsche Cabrio kaufen. Und damit Sasha abholen.«
»Im Porsche ist kein Platz für einen Kindersitz«, sage ich.
Ups, das gefällt ihm gar nicht. »Das muss dir natürlich einfallen.«
»Ich sag ja nur«, antworte ich.
In der Küche klappert es. Sollte mich das erschrecken?
»Das ist bestimmt die wichtigste Frau in meinem Leben«, sagt Levi.
O je, kommt Sasha vorbei?
»Hi, Mum«, sagt Levi und rollt sich aus seinem Liegestuhl. Eine kleine, mollige Mammi-Frau kommt in den Garten.
»Hallo«, strahlt sie.
Levis Mutter ist weiß. Das überrascht mich ein bisschen, denn Levi ist farbig. Ich hätte erwartet, dass sie ähnlich dunkel ist wie er. Ihre Haare sind ziemlich schlampig kurz geschnitten, sie hat lächelnde, müde Augen, riesige Titten und sie trägt die Arbeitskleidung von unserem Supermarkt. O je, sie kommt mir irgendwie bekannt vor. Hoffentlich war ich nicht irgendwann mal grob zu ihr. Supermärkte sind nicht so mein Ding. Die helle Beleuchtung dort bringt mich auf einen anderen Level.
Levi stellt uns vor. Seine Mutter heißt Sarah. Sie küsst Levi liebevoll auf die Wange, hinterlässt einen mütterlichen Spuckefleck und wirft ihm ein Kirschtörtchen zu. Dann wendet sie sich an mich.
»Hast du unseren Adonis bewundert?«, fragt sie und deutet auf die nackte Statue. »Das einzige Überbleibsel von meinem Studium der Altphilologie in Manchester.« Sie macht eine Pause. »Na ja, und Levi natürlich.« Oh! Ein Scherzkeks.
Dann ist wieder ihr Sohn dran und sie quatscht ihn voll, fragt ihn über seinen Tag aus und warum er zu Hause ist, erzählt ihm, was es zum Abendessen gibt, sagt genau das, was meine Mutter auch sagen würde. Und mich damit wahnsinnig macht.
Sie will immer wissen / was ich mache
will die Macht behalten / doch ich lache
mein Tag gehört mir / lass mich endlich gehen
kapp die Nabelschnur, Hexe / und Auf Wiedersehen …
Levi jedoch plappert einfach los, wie Levi eben plappert, erzählt seiner Mutter von der ausgefallenen Geschichtsstunde, von seinem Mittagessen, von dem obdachlosen Mann, der mit einer Taube in die Schulcafeteria spaziert ist, und von meiner Wenigkeit. Dann fragt er, wie’s bei ihr im Supermarkt war.
»Hat Jim dir Stress gemacht?«
Seine Mutter seufzt: »Damit werd ich schon fertig.«
»Ich weiß nicht, warum du dir das gefallen lässt«, sagt Levi, ernsthaft verärgert. »Du solltest den Job schmeißen, du bist viel zu gut dafür.«
»Bald, bald«, beruhigt ihn seine Mutter. »Möchtet ihr noch was zu trinken?«
»Machen dich die ganzen Fragen nicht verrückt?«, frage ich, als wir uns in Levis Jungszimmer zurückgezogen haben.
»Warum denn?« Er ist echt erstaunt. »Die liebt mich, Mann.«
Levis Zimmer ist himmelblau gestrichen. O Mann, seine Mutter muss ihn echt lieb haben! An der Decke sind Leuchtsterne angebracht und an der Wand hängt eine Raketenuhr. Mehr Kinderkram gibt’s aber nicht. Über dem Bett hängen drei Poster, und auf jedem ist eine knackige Frau zu sehen, die nur ein knappes Höschen trägt. Die sechs fleischigen Brüste lassen mich nicht los. Das ist eindeutig eine sinnliche Überfrachtung, meine Augen wirbeln herum wie Schmeißfliegen und wissen nicht, wo sie landen sollen.
»Hat deine Mutter nichts dagegen?« Ich zeige auf die vollbusigen Sirenen,
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