Bullet Catcher 1: Alex
mehr galt. Und Jessica? Hoffentlich hatte Alex sie gefunden.
Yoder hatte keine Mühe darauf verschwendet, sie auf den Boden zu legen oder zu knebeln. Selbst wenn sie laut schrie, würde man sie bei dem Motorenlärm nicht hören, und wenn sie aufstand, würden Fahrtwind und Geschwindigkeit sie aus dem Boot schleudern. Mit den zusammengebundenen Händen würde sie sofort ertrinken … oder er würde dafür sorgen, dass die Schrauben sie in Stücke hackten. Sie hockte auf dem Sitz neben ihm und drehte den Kopf, um zu sehen, wie weit sie schon gefahren waren.
Sie waren vermutlich etwas mehr als einen Kilometer vom Land entfernt, bewegten sich in südwestlicher Richtung, wahrscheinlich zum Golf von Mexiko. Das Wasser war aufgepeitscht vom Sturm, Yoder steuerte das Boot geschickt zwischen den Untiefen und Riffen hindurch.
Wer war dieser Mann?
Auf jeden Fall ein Mann, der gerne das Ruder in der Hand hatte. Jessica hatte ihm vertraut, mit ihren ehrgeizigen Träumen auf ihn gesetzt. Auf einen Mann, der in der Lage war, Jessicas Erpresser an der Nase herumzuführen und zu ermorden.
Das war also der Mann, der das Leben ihrer Schwester »verändert« hatte, der Mann mit dem goldenen Herzen.
So viel zu Jessicas Menschenkenntnis.
Ihr Herz zog sich so schmerzhaft zusammen, dass sie fast aufgeschrien hätte. Innerhalb der nächsten zehn Minuten konnte sie bereits tot sein, würde Jessica niemals wiedersehen und auch ihre Eltern nicht oder Alex.
Sie zwinkerte die Tränen weg. Das war nicht der geeignete Augenblick, um zu weinen, sie brauchte eine Strategie. Musste Yoder entwaffnen – wortwörtlich und im übertragenen Sinne. Ihr Blick fuhr an dem überdimensionalen Bug entlang, der durch die kräftigen Motoren halb aus dem Wasser gehoben wurde, während das Heck in den Wellen einsank. Hinter ihr befanden sich noch zwei weitere Sitze. Eine Tür vor ihr führte unter Deck.
Könnte sie mit diesem Boot umgehen? Schon möglich. Ganz sicher konnte sie das UKW -Gerät bedienen, das neben Yoder von Zeit zu Zeit knisterte.
Ohne Ankündigung verringerte er ihre Geschwindigkeit, sie schaukelten auf den Wellen. Jazz drehte erneut den Kopf und sah einen kleinen Punkt auf dem Meer. Das war Sunset Key, und etwas weiter rechts lag Key West. Zwei große Kreuzfahrtschiffe ankerten auf halber Strecke.
In der anderen Richtung war das Meer bis zum Horizont vollkommen leer.
Alex würde nie hier draußen nach ihr suchen. Ihr wurde übel bei diesem Gedanken, es war ausweglos. Sie konnte sich nur selbst helfen. Aber wie?
»Wo ist Ihre Schwester?«, fragte Yoder.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Sie ist aus dem Haus geflohen.«
Er fluchte. Was auch immer er vorgehabt hatte, ging jetzt den Bach runter. Ein Gedanke, der sie nicht gerade beruhigte.
»Ich werde mit Ihnen zusammenarbeiten«, sagte sie und hoffte, dass es ausreichend verschwörerisch klang. »Ich decke Sie. Jessica bekommt den Job, den sie haben wollte, und ich tue so, als wäre nichts gewesen.«
Er sah sie skeptisch an.
»Für die Karriere meiner Schwester würde ich alles tun«, fügte sie hinzu.
Einen kurzen Augenblick lang dachte sie, er würde darauf hereinfallen. Dann hörten sie ein Motorengeräusch, und er wandte den Kopf. Jazz überlegte nicht lange, richtete sich auf ihrem Sitz etwas auf und ließ die zusammengebundenen Hände auf seine Pistole krachen, die in hohem Bogen wegflog.
»Mist!« Er versuchte, nach der Glock zu greifen, aber Jazz ließ sich auf den Boden fallen, direkt auf die Waffe. Er trat ihr in den Rücken, pfeifend wich die Luft aus ihrer Lunge.
Sie schloss vor Schmerz die Augen und versuchte, die Hände unter den Körper zu bekommen. Wenn es ihr bloß gelingen würde, die Pistole –
Seine Fußspitze traf sie seitlich am Kopf, ein Feuerwerk explodierte in ihrem Schädel. Er packte sie an der Schulter und versuchte sie hochzuziehen. Endlich gelang es ihr, die Hände unter ihre Brust schieben.
Ihre Finger schlossen sich um den Pistolengriff. Ächzend drehte Yoder sie um und fasste in ihre Harre, zog ihren Kopf weit in den Nacken. Sie sah nur den Himmel, wusste nicht, worauf die Pistole zielte. Gleich würde er die Glock an sich reißen. Mit einer letzten Kraftanstrengung riss sie die Arme nach oben und ließ los.
Sie hörte, wie die Pistole klatschend im Wasser versank.
»Du blöde Schlampe!«, knurrte er und trat sie in die Rippen.
Jazz rollte sich zusammen und zog die Beine an, um hochzukommen und sich auf ihn zu stürzen. Sie musste
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