Bullet Catcher 2: Max
reagieren.
Noch spät in der nicht nachlassenden Hitze der Nacht saß er auf Coris Terrasse und starrte blicklos zu den Sternen hinauf. Vor seinem inneren Auge rauschten Bilder vorbei, manche schmerzlich schön, andere schrecklich grausam. Er wusste, dass er lieber zu Bett gehen, über das Gelände spazieren oder gegen eine Wand treten sollte. Alles, nur nicht dasitzen, schwitzen und grübeln und allmählich den Verstand darüber verlieren, dass er die Vergangenheit nicht ändern konnte.
Kannst du deine Gefühle aus dem Spiel lassen, Max?
Offensichtlich nicht.
Gegen vier hörte er das Heißwassergerät, das Coris Dusche versorgte. Komische Zeit zum Baden. Er eilte die Wendeltreppe zu ihrem Schlafzimmer hoch.
Durch die schmalen Schlitze in den Schlagläden konnte er schwaches Licht erkennen. Am äußersten Ende der Glasschiebetür kauerte er sich zu Boden, um durch die Öffnung zu spähen, die er eigens für diesen Zweck angebracht hatte. Und was er auf ihrem Bett sah, ließ das Blut in seinen Adern stocken.
Dan Gallagher hatte sich keine Ruhe gegönnt, seit er in Osaka gelandet und in den Zug nach Kyoto gestiegen war. Warum Max’ Zielperson sich nicht in einer Stadt mit internationalem Flughafen aufhielt, war ihm schleierhaft. Und er war so verdammt müde, dass es ihm auch egal war.
Er würde die Informationen besorgen, die Max brauchte, und dann würde er sich in das erstklassige Ryokan , in dem er gerade eingecheckt hatte, verkriechen und zwei Tage lang schlafen. Vielleicht würde er eine der letzten Geishas im Land aufstöbern, um sich stilgerecht unterhalten zu lassen, bis er nach Paris zurückmusste.
Bislang hatte er gute Fortschritte gemacht – was vermutlich darauf hindeutete, dass die vermisste Person gefunden werden wollte.
Den rudimentären Angaben folgend, die er von Max bekommen hatte, war Dan zu einem Krankenhaus vor Ort gegangen, zu dem Dr. Bauer Verbindungen hatte. Drei Gespräche, darunter eines mit einer sehr charmanten und entgegenkommenden Krankenschwester, lieferten ihm die Namen von Verwandten, die in einem Vorort nördlich der Stadt wohnten.
Als er bei dem bescheidenen Holzhaus ankam, öffnete ihm eine winzige Frau die Tür, ehe er überhaupt geklopft hatte. Bei einer frustrierenden Konversation in einer Mischung aus gebrochenem Englisch, schlechtem Japanisch und Zeichensprache erfuhr Dan, dass dies das Haus der Familie von Herrn Tashimoto war, Dr. Bauers Onkel mütterlicherseits. Und dass die Familie Bauer ebenfalls dort wohnte – so verstand er es wenigstens. Die Frau, die sich mit dem Namen Tanikasan vorstellte, bat ihn schließlich herein.
Eine ältere Frau huschte wie ein Gespenst hinter einer halb transparenten Schiebetür vorbei, doch Dan konzentrierte sich voll und ganz auf seine Kommunikationsversuche mit Tanikasan. Ein schlaksiger, etwa fünfzehnjähriger Junge lag ausgestreckt zwischen Kissen auf dem Boden und füllte fast ganz das winzige Wohnzimmer zu ihrer Rechten aus. Nach ein paar Minuten stand er auf, trat in den Eingangsbereich und blickte Dan dabei aus schwarzen Augen durchdringend an. Er trug ein weißes, geripptes Unterhemd und Schlafanzughosen mit Spongebob-Muster.
Tanikasan redete wie ein Maschinengewehr auf ihn ein, aber er zuckte nur die Schultern und deutete auf die weißen Hörstöpsel seines iPods, die in seinen Ohren steckten. Mit einem weiteren verdrießlichen Blick auf Dan schwang er seinen schwarzen Pony aus dem Gesicht und verschwand in den schwach erleuchteten Flur.
Als der Junge weg war, wurde Tanikasan rot vor Verlegenheit und zog Dan in die winzige Küche voller wandhoher Schränke. In der Mitte stand ein quadratischer Resopaltisch. Mit viel Zeichensprache und wiederholtem höflichem arigato gozaimasu von beiden Seiten wurde Tee angeboten.
Nach einem ausgiebigen Ritual, das Dan nicht zu unterbrechen wagte, servierte ihm Tanikasan den Tee und führte ihn dann in einen Garten hinaus, der knapp zweihundert Quadratmeter umfasste und vollgestopft war mit steinernen Laternen, Keramiktieren und Dutzenden von Pflanzen in blauen und rosa Plastikbehältern. Dan stieg über einen Gartenschlauch und setzte sich auf eine Steinbank, von der er beinahe rücklings herunterfiel, als seine Gastgeberin einfach davonging und ihn sitzen ließ.
Also, das war alles andere als typisch japanisch.
Verwirrt, müde und am Ende seiner Geduld, trank Dan in der drückenden Sommerhitze den Tee. Fünfzehn Minuten verstrichen, und Dan merkte, wie hungrig er war, als ihm
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