Bullet Catcher 3: Johnny
strebte auf das offene Eisentor zu, das zur Charles Street hinausführte – und zu ihrer Verabredung mit dem Entführer. Was entweder der Gipfel der Dummheit war oder darauf hindeutete, dass sie irgendwo unter diesen sexy Kurven Nerven aus Stahl hatte.
Ob nun dumm wie Bohnenstroh oder frech wie Oskar, war egal. Heute Nacht war eine höhere Macht am Werk als ihr Verlangen nach einem Adrenalinrausch. Und wenn Lucy ins Spiel kam, dann war Schluss mit kindischen Spielereien – oder billigem Nervenkitzel.
Die Joggerin blieb in der Nähe des Tors stehen. Nur wenige Autos waren in Richtung Beacon Street unterwegs, der nächsten Querstraße im Norden. Ein weißer BMW rauschte auf der gegenüberliegenden Fahrbahn die Einbahnstraße entlang, sonst lag die Charles Street ebenso verlassen wie die meisten anderen Straßen von Boston an einem Montag um Mitternacht. Sie ging langsam in Fahrtrichtung weiter und trommelte dabei mit den Fingern auf ihre nackten Schenkel.
Johnny wartete still und unbemerkt direkt hinter dem offenen Tor, aber die junge Frau konzentrierte sich ohnehin voll auf die Straße. Ihre Nackenmuskeln waren angespannt, obwohl sie versuchte, möglichst ahnungslos und locker zu wirken. Beim Geräusch eines näher kommenden Wagens blickte sie über die Schulter. Na also – ein Transporter. Dunkle Lackierung, älteres Modell. Nur das Standlicht brannte.
It’s showtime, baby.
Sie trat auf den Rinnstein zu und verlangsamte, als sie zum Fußgängerüberweg kam. Johnny zählte bis fünf und fiel dann in leichten Trab. Der Transporter wechselte auf die linke Spur, bremste auf Schritttempo herunter, fuhr langsam auf den Zebrastreifen zu und blieb einen halben Meter vor ihr stehen.
Sie erstarrte, dann rannte sie los. Nicht so schnell sie konnte, aber doch schnell genug, um ihre Flucht echt wirken zu lassen. Johnny nahm Tempo auf, genau in dem Moment, als die Seitentür des Transporters aufglitt und sich ein Männerbein auf die Straße streckte. Sie sah über die Schulter und stolperte leicht.
»Komm her, Schätzchen « , rief der Mann. »Ich brauche Hilfe .«
Sie zögerte einen Moment lang und blickte auf den Wagen.
»Komm her « , wiederholte er.
Sie trat etwas näher, dann griff Johnny zu. Er packte sie um die Taille und hob sie vom Boden ab, ohne seine Schritte zu verlangsamen.
»He !« Sie wand sich in seinen Armen, trat ihm ans Schienbein und drosch auf seinen Hintern ein. »Noch nicht !«
Er hob sie höher, und der Mann im Transporter brüllte etwas herüber.
Sie versetzte ihm einen erneuten Schlag. »Ich bin noch nicht entführt worden !« Ihr Knie verfehlte nur knapp seine empfindlichste Stelle.
»Komm schon, Prinzessin « , grollte er auf dem Weg zu seinem Toyota Camry, den er Stunden zuvor dort abgestellt hatte. »So läuft das .«
Er erreichte den Wagen in weniger als zehn Schritten, machte sie mit einer Hand bewegungsunfähig, riss mit der anderen die hintere Wagentür auf und stieß sie hinein.
»Noch … « Er schlug die Tür zu und hörte gerade noch ihr gedämpftes »… nicht !«. In wütendem Protest trommelte sie mit den Fäusten gegen das Fenster.
Oh doch!
Der Transporter fuhr heran, als er die Fahrertür des Toyota aufriss. »He, Arschloch, was soll das ?« Die wütende Stimme hatte einen typischen Bostoner Akzent, aber Johnny nahm sich nicht die Zeit zu reagieren. Er hatte angenommen, dass Lucy vorher alles mit dem Unternehmen abgesprochen hatte, doch auch wenn es Kommunikationsprobleme gegeben haben sollte – er wusste, was er zu tun hatte. Er zog die Fahrertür zu und steckte den Zündschlüssel ein, als sich von hinten Finger in seine Haare krallten und daran rissen.
»Ich kann es nicht fassen, dass Sie das getan haben !« , kreischte sie.
Er schüttelte sie ab, ließ den Wagen an und überquerte alle drei Fahrspuren, um rechts in die Beacon Street einzubiegen. Es war zwar unwahrscheinlich, aber doch möglich, dass die echten Retter in der Nähe waren und wissen wollten, wer ihnen da ins Handwerk pfuschte. Deshalb sah er zu, dass er möglichst schnell Land gewann.
Sie schlug mit der Hand so fest gegen seine Rückenlehne, dass er es in der Brust spürte. »Das war zu schnell! Ich bin noch nicht einmal entführt worden! Ich habe für eine Entführung bezahlt, Sie Blödmann !«
Er fing im Rückspiegel ihren Blick auf. Selbst im Dunkeln waren die wütenden Funken in ihren Augen zu sehen. »Nichts zu danken .«
Sie schnappte nach Luft und warf sich gegen ihre Rückenlehne.
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