Bullet Catcher 3: Johnny
Essbereich. Vor Überraschung öffnete sie den Mund zu einem kleinen O, einem runden, weiblichen, verführerischen O. »Wow! Tischsets, Servietten, Wein und Kerzen .«
»Aber keine doofen Löffel .« Er nahm die beiden Tassen und deutete mit dem Kinn in Richtung Küchentür. »Nach dir .« Er ließ bewusst einen Moment verstreichen, ehe er hinzusetzte: »Sage .«
Sie warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu und ging voran zum Tisch. Während sie ihre Serviette auf dem Schoß ausbreitete, stellte er die Tassen nebeneinander, um ihr beim Essen so nah wie möglich zu sein.
Er brach ein Stück von dem knusprigen Weißbrot ab und reichte es ihr, dann nahm er die Pfeffermühle und drehte sie erst über ihrer, dann über seiner Tasse.
»In der Toskana denken Ausländer immer, die Einheimischen hätten keine Manieren, weil sie ihre Suppe mit Brot auftunken. Das ist, wie wenn jemand Spargel mit den Fingern isst. Es geht wunderbar, sieht aber ungewohnt aus. Also, zupf das Innere heraus, und mach dir eine Mulde, so, schau !«
Sie folgte seiner Anweisung und hielt das Brot dann über die Suppe. »Bestimmt gelangt die Hälfte davon überhaupt nicht in meinen Mund .«
»Das gehört zum Spaß dazu .« Er tauchte ihr Brot in ein Stück perfekt gegarte Tomate und genoss das genussvolle Mmh , das ihren ersten Bissen begleitete.
»Meine Güte, das ist wirklich köstlich « , sagte sie, schon nach dem nächsten Bissen tauchend. »Wer hat dir noch mal das Kochen beigebracht? Deine Nonna? Wie hieß sie noch gleich mit Nachnamen ?«
Ein Stück tomatengetränktes Brot blieb ihm im Hals stecken, und er hatte Mühe, es zu schlucken. »Meine Großmutter, ja. Manche Dinge werden einfach an die folgenden Generationen weitergegeben. Ich wette, es war deine Mutter, die dir das Schreiben beigebracht hat .«
»In gewisser Weise .«
»Du bist richtig gut « , sagte er und beglückwünschte sich abermals für diesen geschickten Themenwechsel. »Ich fand das sehr spannend, den Artikel über das Krankenhaus und diese aalglatten Ärzte, die sich Schmiergelder von den Versicherungen zahlen lassen .«
Sie wischte sich den Mund mit der Serviette ab und nahm sich noch ein Stück Brot. »Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Böse Jungs zur Strecke bringen und entlarven .«
Er spürte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich. »Böse Jungs? Sie hat über Verbrecher geschrieben ?«
»Ihr eigentliches Fachgebiet war die Wirtschaft. Aber am liebsten hat sie über korrupte Politiker oder Unternehmen mit kriminellen Geschäftsführern geschrieben .«
»Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, was ?« Er trank einen Schluck Wein und sah zu, wie das flackernde Kerzenlicht grün in ihren haselnussbraunen Augen glitzerte. Soweit er das sagen konnte, trug sie kein Make-up, und doch schimmerte ihre Haut geradezu ätherisch … vielleicht hatte dieser Kuss ihr Blut ebenso in Wallung gebracht wie seines. »Wie alt warst du, als sie starb ?«
Sie blickte in ihre Suppe. »Vierzehn .«
»Genauso alt war ich, als meine Eltern ums Leben kamen .«
»Tja « , sagte sie leise, »dann weißt du ja, wie schwer das ist .«
Er berührte ihre Hand. »Ich dachte, ich würde es nicht überleben « , gestand er und ergab sich für einen Moment der Trauer, die ihn immer überkam, wenn er daran zurückdachte, wie er Italien verlassen musste. »Wie ist deine Mutter gestorben ?«
»Sie hat Selbstmord begangen .«
Jetzt stand ihm erschrocken der Mund offen. »Selbstmord ?« , fragte er mit belegter Stimme.
Sie nickte und nahm sich ein Stück Brot. »Es ist lange her. Dreizehn Jahre .«
Es drängte ihn zu erfahren, was passiert war. Und wie kam sie mit dem Freitod ihrer Freundin zurecht, nachdem sie all die Jahre mit der Erinnerung an ihre Mutter gelebt hatte? »Das hättest du mir erzählen sollen .«
Sie zerrupfte ihr Brot, offensichtlich um Gelassenheit bemüht. »Es spielt keine Rolle mehr. Und wenn du das wegen Keisha sagst, dann – «
»Natürlich wegen Keisha. Das hat es für dich ja noch viel schwerer gemacht .«
Sie lächelte trocken. »Du klingst wie meine Tante. Nur dass sie nicht so nett war wie du. Sie hat im Grunde gesagt, ich soll darüber wegkommen. Als wäre das … « Sie tauchte das Brot so schwungvoll in die Suppe, dass etwas davon auf den Tisch spritzte. »Als wäre das möglich .«
»Deine Tante – die Schwester deiner Mutter ?«
Sage hielt die Serviette hoch, mit der sie sich den Mund abgewischt hatte. »Und die letzte Person, über die ich reden
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