Bullet Catcher: Wade (German Edition)
wieder, ihn abzuschütteln, und biss die Zähne zusammen, als es ihr nicht gelang. »Was auch immer Sie mir für eine Story auftischen wollen, Kumpel, vergessen Sie’s.«
»Halten Sie doch einfach mal kurz still und hören mir zu.«
Ihre Augen hinter den Brillengläsern verengten sich zu Schlitzen. »Ich brauche nicht zuzuhören. Ich weiß, was Sie sagen werden. Sie ist meine leibliche Mutter. Ich bin ein Adoptivkind. Sie sitzt wegen Mordes im Knast. Das weiß ich alles schon seit Jahren.«
Als er den Mund öffnete, um zu sprechen, hob sie die Hand.
»Stopp.« Sie wand ihren Arm frei. »Ich bin nicht im Geringsten daran interessiert, von ihr zu hören. Das wäre selbst so, wenn sie gestorben wäre und mir einen Riesenberg Goldbarren hinterlassen hätte. Sie existiert nicht für mich. Das ist nicht verhandelbar.«
»Ich hatte noch gar keine Chance, zu sagen, was ich zu sagen habe, Ma’am.«
»Nein, mein Lieber. Aber Sie verstehen doch, was ich meine, wenn ich sage: ›nicht verhandelbar‹?«
Er nutzte die Gelegenheit und sagte, statt zu antworten: »Sie liegt im Sterben.«
»Meine Güte – he!« Sie schrie auf, als er erneut ihren Arm drückte. »Das interessiert mich nicht. Es ist nicht mein Problem. Ich … « Plötzlich ließ sie den Kopf rücklings gegen die Lehne sinken, schloss die Augen und atmete resigniert aus. »Woran?«
»Leukämie. Sie braucht eine Knochenmarkspende von einem Blutsverwandten.«
Vanessa schnappte nach Luft. »Na, das ist ja großartig.« Sie schnellte wieder hoch und fuhr sich mit den Fingern durch ihr hellblondes Haar, während sich ihre fein modellierten Wangen allmählich wieder mit Farbe überzogen. »Die Frau verkauft mich – verkauft mich, ja? – an einen vollkommen Fremden, schießt ein Loch in eine unglückselige Arbeitskollegin und schreibt mich dann für die nächsten dreißig Jahre ab. Und jetzt sucht sie mich, jetzt braucht sie mich. Das ist ja das Höchste! Und wer sind Sie, der Gefängnisdirektor?«
»Ich arbeite für eine Sicherheits- und Ermittlungsfirma, die versucht, die – «
»Nicht dass es mir leid täte, dass sie mich verkauft hat«, fiel sie ihm ins Wort. »Mein Dad war toll, ich hätte ihn für nichts in der Welt eingetauscht. Zumal ich wahrscheinlich sowieso in einem Heim gelandet wäre, als Tochter einer Mörderin . Wissen Sie eigentlich, was sie getan hat?«
»Ich weiß, dass sie wegen Mordes verurteilt wurde und eine lebenslange Haftstrafe abbüßt.«
Vanessa schnaubte. »Sie sagen das, als bestünde die Möglichkeit, dass sie unschuldig ist. Haben Sie über ihren Fall gelesen?« Sie legte die Handflächen aneinander wie zu einem Buch. »Akte auf – « Patsch . Sie schlug die Hände zusammen. »Vorsätzliche Tötung, besondere Heimtücke, Strafe: lebenslänglich.« Kopfschüttelnd fuhr sie fort: »Und jetzt braucht sie also mein Knochenmark? Nicht zu fassen.«
Wade ließ ihren Ausbruch stumm über sich ergehen. Sie öffnete den Mund, um weiterzusprechen, blickte dann aber unvermittelt auf ihr Telefon, als hielte es Antworten bereit.
»Clive hat mir irgendwann in der letzten Stunde eine SMS geschickt. ›Nimm dich in 8!‹ hat er geschrieben. Ich dachte zuerst, er meint vielleicht Sie, aber wenn Sie die Wahrheit sagen … «
»Ich pflege nicht zu lügen.«
Sie zog schließlich die Autotür wieder zu. »Schön für Sie. Ich wünschte, Sie hätten gelogen. Ich wünschte, Sie wären nicht der Bote meiner Mami, der Mörderin.« Sie lehnte sich vor und sagte zum Fahrer: »Tut mir leid, die ganze Sache. Ich möchte immer noch nach Basseterre. Können wir jetzt bitte weiterfahren?«
Ihre Hände zitterten immer noch, als sie die SMS noch einmal las. »Natürlich habe ich wieder mal keinen Empfang.«
»Klingt, als stecke Ihr Freund in Schwierigkeiten«, mutmaßte Wade. Sie sollte sich erst ein wenig beruhigen, ehe er die nächste Bombe platzen ließ. »Schreibt er sonst auch solche SMS ?«
»Nein. Seit er verschwunden ist, habe ich erst drei von ihm bekommen, diese eingeschlossen.«
»Warum genau ist sein Verschwinden Ihr Problem?«
»Erstens, weil er mein Freund ist, zweitens, weil er bei der Arbeit ein Riesenchaos hinterlassen hat, und drittens … « Sie zuckte die Achseln. »Er ist mein bester Freund. Das ist alles, was zählt. Haben Sie nicht auch Freunde, für die Sie mitten im Sommer durch die Wüste wandern würden, um sie zu finden?«
»Um ehrlich zu sein, bin ich genau deswegen hier.«
»Sie helfen einem Freund?«
»Ich arbeite
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