Bullet Catcher: Wade (German Edition)
wir eigentlich?«
»Sie sehen aus, als würden Sie gleich in Ohnmacht fallen«, meinte Wade, während er sie in dasselbe Lokal geleitete, in dem sie vor knapp zwei Stunden schon einmal gesessen hatte.
»Ich falle nicht in Ohnmacht«, gab sie zurück. »Wir haben fünfunddreißig Grad im Schatten, und Sie haben mir gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. Das ist nichts weiter als eine … natürliche Reaktion.«
»Schon kapiert. Setzen wir uns doch hier in den Schatten unter diesen Sonnenschirm, bestellen uns was Kühles zu trinken und unterhalten uns ein bisschen, okay?«
Seine bevormundende Art machte sie rasend, doch der Vorschlag klang verlockend. Sie brauchte etwas Kühles – und Starkes – , um all das verarbeiten zu können, was passiert war, seit sie von Bord gegangen war.
»Zwei Mineralwasser mit Eis«, sagte Wade zu der Bedienung.
»Und einen Wodka-Tonic«, fügte Vanessa hinzu. »Aber lassen Sie das Tonicwasser weg. Und die Limette auch.«
Sein Mund hob sich zu einem halben Lächeln. »Sie trinken genauso wie Sie reden und wie Sie gehen. Taff.«
»Ich hasse Limetten und Tonic.« Und Sie . Sie verschränkte die Arme. »Ich würde gern Beweise sehen.«
»Etwas Schriftliches existiert nicht wirklich.«
Sie schlug mit den Händen auf die Tischplatte und schob ihren Stuhl zurück. »Mir war gleich klar, dass das hier ein Riesenschwindel ist.«
»Aber ein Foto habe ich.« Er legte das Bild auf den Tisch.
Das war wenigstens mal was Neues. Zum ersten Mal in drei Tagen bekam sie ein Foto vorgelegt und nicht umgekehrt. Am liebsten hätte sie ihm weiterhin die kalte Schulter gezeigt, doch die Neugier war stärker. Sie warf einen Blick auf das Bild und rechnete – in banger Erwartung – damit, sich selbst in dem fremden Konterfei wiederzuerkennen.
»Oh«, machte sie überrascht. »Sie ist wunderschön.« Sie schob das Foto in seine Richtung. »Aber sie sieht mir überhaupt nicht ähnlich.«
»Sie sind auch sehr schön.« Er schob es ihr wieder entgegen.
»Danke, aber ich bin blond – und zwar echt – , mein Gesicht ist länger, mein Mund breiter, und meine Augen haben eine andere Form.« Unwillkürlich musste sie aber dennoch wieder hinsehen. »Sie sieht so … zart aus.« Gertenschlank und zerbrechlich, keine Brille, kein Busen.
Sie sah ihr wirklich überhaupt nicht ähnlich.
»Wir sehen nicht mal entfernt verwandt aus.« Sie gab dem Foto einen schwungvollen Stoß.
»Drillinge sind nicht immer eineiig«, sagte Wade. »Manchmal sind zwei eineiig, und der dritte stammt aus einem anderen Ei. Das könnte erklären, warum Sie sich wenig ähnlich sehen, und es könnte dafür sprechen, dass Sie eine geeignete Knochenmarkspenderin sind – im Gegensatz zu Ihrer Schwester.«
»Sie ist keine … ?« Die Auskunft traf sie hart. Wenn diese angebliche Schwester ihr Mark hätte spenden können, hätte Eileen Stafford dann überhaupt jemals nach ihr suchen lassen? Natürlich nicht. Wie sehr sie diese Frau hasste.
Sie wandte sich zur Theke und hob mit einer Hand ihr Haar, um eine nicht vorhandene Brise an ihren erhitzten Nacken zu lassen. »Wo bleibt mein Wodka?« Das war alles so furchtbar und so kompliziert und so überhaupt nicht das, was sie auf St. Kitts hatte tun wollen – oder irgendwo sonst.
Wade schob ihr das Foto mit einem Ausdruck letzter Hoffnung wieder entgegen, wie ein Spieler, der eine leidlich gute Karte ausspielt, weil ja immer die Möglichkeit besteht, dass der andere ein noch schlechteres Blatt auf der Hand hat.
»Sie heißt Dr. Miranda Lang.«
In Vanessa löste sich etwas. Miranda .
Es war ihr egal, wie diese Frau hieß. Es war ihr völlig egal. Kapierte er das nicht?
»Was ist sie für ein Doktor?«, fragte sie so beiläufig, dass es nur nach Smalltalk klingen konnte.
»Für Anthropologie. Sie hat ein Buch geschrieben, das einiges Medieninteresse hervorgerufen hat, über den Maya-Kalender und den Mythos, dass die Welt 2012 untergehen soll. Haben Sie davon gehört?«
Sie hob gleichgültig eine Schulter. »Solange es sich nicht auf den Geldmarkt oder den Dow-Jones-Index ausgewirkt oder sieben- bis achtstellige Gewinne generiert hat – nein.« Sie fächelte sich Luft in den Nacken. Die Hitze lag schwer auf ihrer Brust. Zumindest meinte sie, die Hitze müsste schuld an dem Druckgefühl sein.
Schließlich wurde ein Tablett mit Getränken auf ihren Tisch gestellt.
»Danke, wurde auch Zeit«, murmelte Vanessa, und ihr Blick glitt über den heiß ersehnten Wodka, um an dem
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