Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
musste ich
feststellen etwa fünf bis zehn Sekunden, nachdem ich den Wecker wieder beruhigt
hatte. Wie lange der Wecker schon Geräusche von sich gab, bevor ich den
vernahm, kann ich nicht genau sagen. Ich weiß auch nicht, wie viel Zeit
verging, bis ich begriffen habe, dass es der Wecker war. Vollkommen irritiert
und gefühllos gegenüber Zeit und Raum wurde ich aber erst, als mir klar wurde,
dass ich nicht wusste wo und wann und ob ich mich befand. Als Forscher, der
sich mit dem Gehirn auskennt, kann ich die Dauer des Zeitabschnitts recht
präzise auf zwischen fünf und fünfunddreißig Sekunden schätzen. Ich weiß nicht,
ob Sie schon einmal eine solche Erfahrung gemacht haben, bei der Sie nur eins
genau wüssten, und zwar das Sie Sie sind. Ich halte eine solche Erfahrung für
sehr wichtig für ein Selbstbewusstsein, weil man nach einer solchen Erfahrung
begreift, dass nichts selbstverständlich ist, weil man eine Gegenwart ohne
Vergangenheit erlebt. Fast wie ein neugeborenes Kind.
Nachdem ich mich erinnert hatte, dass ich mich in meinem
Apartment befand, und dass die Wand sich zu meiner Rechten, demnach der Wecker
sich zu meiner Linken befanden, und nachdem ich den Wecker wieder beruhigt
hatte, fiel mir ein, dass ich einen ungewöhnlichen Traum gehabt hatte. Und das
ungewöhnliche an dem Traum war nicht etwa die Handlung, denn die meisten Träume
kann man für ungewöhnlich halten, viel mehr war es einfach nur das Gefühl, dass
der Traum ungewöhnlich war. Das erste woran ich mich an dem Traum erinnern
konnte, war tatsächlich das Gefühl, dass der Traum ungewöhnlich war, und das
äußerst. Danach kamen die ersten Ausschnitte der Handlung aus den dunklen
Tiefen meiner Erinnerung zum Vorschein. Ich war in einem Stadion ... eine Frau
war da ... und ein Mann ... und der Kamikaze ... zwei Kamikaze. Ich lächelte
bei dem Gedanke.
Ich habe ja schon mal von dem Kamikaze geträumt, recht
außergewöhnlich fand ich allerdings, zwei gleiche Traumwagen in einem Traum zu
sehen... Waren es wirklich zwei, oder war das doch zwei Mal Derselbe? Ich saß
auf dem Bett halb wach, halb im Halbschlaf. Das Bild, das ich durch die offenen
Augen vernahm, galt als Hintergrund für die Reproduktionsarbeit meines Gehirns,
das sich an die interessanten Details des Traums zu erinnern versuchte.
Unbewusst tauschte sich das Hintergrundbild von dem Boden meines Apartments
gegen die nackten Füße. Ich glitt mit dem Daumen über das Hühnerauge, so wie
ich das die letzten Paar Wochen öfters tat. Das war nicht derselbe Kamikaze,
die haben sich unterschieden. Genauer gesagt, war der Zweite anders. Inwiefern
aber war der Zweite anders? Ich stellte mir einen Kamikaze vor und einen Zweiten
daneben. Kann es sein, dass er weiß war? Bei dem Gedanken an einen weißen
Kamikaze musste ich wieder lächeln.
Immer noch in demselben Zustand ging ich ins Badezimmer.
Erst als ich vor dem Spiegel stand, ließ mich der Traum los. Denn ich habe
plötzlich mich gesehen. Der langsamster Schock, denn ich je erlebt habe,
breitete sich in meinem Körper aus. Wie wenn ich unter der Dusche stünde, und
das Wasser langsam von warm auf kühl wechselte. Nein, ich habe nicht etwas
gesehen, was ich nicht fast jeden Morgen gesehen hätte. Es war das Gefühl, das
mir relativ neu war. Als ob mein Unterbewusstsein mir etwas mitteilen wollte.
Ich schaute mir mein Gesicht genauer an, ich blickte mir selbst tief in die
Augen. Ich erkannte nichts… Was wäre, wenn ich mir jemand Anderen in meinem
Spiegelbild vorstelle? In den Augen eines Fremden lässt es sich leichter lesen,
als in den eigenen. Ich blickte noch ein Mal tief in die Augen diesmal eines
Unbekannten... Der war nicht weiß, der hatte etwas mit meinem Tod zu tun. Ich
meine, der zweite Kamikaze war nicht weiß, sondern hatte irgendwas mit meinem
Tod zu tun.
Ich musste fast lachen. Das ist es also, was mir mein
Unterbewusstsein sagen wollte. Ich fand das Wortspiel amüsant... Nur bis ich
mir der Botschaft bewusst wurde. Welcher Tod? Wieso Tod? Ich habe tatsächlich
noch nie gerne von dem Tod geträumt. Ich verlor langsam meine Gelassenheit. Der
Unbekannte auf der anderen Seite des Glases starrte mich immer noch an, sagte
jedoch nichts. Nur Gedanken und nur Gefühle... Irgendwann zwischen Abscheu und
Hass wandte ich mich dem Spiegel ab. Neues Hintergrundbild. Duschvorhang,
Dusche, Toilette, Kacheln, Bademantel, Handtuch, Aschenbecher... Ich lief aus
dem kleinen Zimmer raus. Ich floh.
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