Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
funktionieren hat, während
ich in einem bequemen Thronsessel ruhe, und die Monitore einen Reihentanz um
mich herum vollführen … und wenn ich mich dabei glücklich und zufrieden
vorstelle, dann … dann was? … dann würde sich die Welt wohl oder übel um mich
drehen, aber dann bräuchte ich außer Augen und Ohren keine Sinnesorgane … im
Grunde auch keine Gefühle – wozu auch! … sie wären nur ein Störfaktor, über den
ich keine Kontrolle habe. Diese Vorstellung ähnelt mehr einem Alptraum, denn
einer gutartigen Phantasie…
Ich überfliege gerade die Nachtseite von Chīsana. Die
dunkle Oberfläche des Planeten bietet zwar den perfekten Hintergrund für
phantasierte Bilder, aber wegen den ganzen Gedanken um das Drehen, das Kreisen
und rotieren wird mir schwindlig. Ich versuche mich auf das Eigenleuchten und
Blinken des kaiserlichen Shuttles zu konzentrieren, das Einzige, das sich
relativ zu mir im Ruhezustand befindet, während sich meine Gedanken um die
Person verdichten, die den Shuttle steuert…
.Heruge! Bist du noch da?
H…[Khsch-scht]…Zu Euren Diensten, Eure Mehrheit!
.Was machst du so?
H…[Khsch-scht]…Nicht viel… Ich stehe permanent in Verbindung
mit dem Boden.
.Passiert da was Schlimmes?
H…[Khsch-scht]…Eventuell… Man meldet Bewegung… Menschen
versammeln sich.
.Müssen wir sofort runter?
H…[Khsch-scht]…Nicht sofort. Bei gegenwärtiger Tendenz
bleiben uns noch mindestens achtundzwanzig Minuten, bevor die Lage nach unserem
Zugegensein verlangt.
.Darf ich dich stören?
H…[Khsch-scht]…Wie könntet Ihr mich stören – ich bin nur für
Euch da. Meine ganze Existenz dreht sich darum…
.Oha bitte! Sprich nicht vom Drehen!
H…[Khsch-scht]…Ist Euch schwindlig geworden?
.Ein Wenig.
H…[Khsch-scht]…Nun … ich bin euer Anker … nein, ein fester
Fundament, auf dem Ihr Euer Gebäude errichten könnt.
.Schon klar, ich habe mich… Ich wollte nur mit dir reden. Du
bist der einzige Bot, den ich kenne, der weiß, dass er ein Bot ist und der mir
über die eigene Natur unverzehrt und unverblümt erzählen könnte.
H…[Khsch-scht]…Was wollt Eure Mehrheit wissen? Ich werde
versuchen, Eure Wissbegier zu befriedigen.
.Naja… Mich interessiert, was du bist … wie du
funktionierst, was dich beschäftigt… Siehst du die Welt, so wie ich – bunte
Bilder, Muster, Bewegungen … oder siehst du nur Codes? Funktionieren deine
anderen Sinnesorgane. Schmeckst du dein Essen oder weißt du, wonach es schmeckt?..
Ich weiß nicht … hast du Träume?.. Du hast keine Gefühle, aber … na ja… Mal
andersherum: du bist doch ein Programm?
H…[Khsch-scht]…Ja, eindeutig!
.Und in welcher Sprache bist du geschrieben?
H…[Khsch-scht]…Genau genommen bin ich nicht geschrieben und
schon gar nicht in einer Sprache. Man kann mich nicht auf ein großes Stück
Papier aufschreiben, nicht zuletzt weil ich analog bin. Heutzutage spricht man
allgemein von Entitäten und Quantitäten, wobei eine Quantität aus einer oder
Mehreren Entitäten bestehen kann. Als Ihr Euren Geist vor Jahrhunderten auf
einen Datenträger kopiert habt, habt ihr das erste Anthropogramm erstellt –
eine anthropine Quantität. >Ich< bin ein Michanigramm... Ich finde die
Begriffe größtenteils sinnverzehrend, sobald sie in alten Sprachen genannt
werden, die sich konvulsivisch an Latein und Griechisch zu orientieren
versuchen, falls eine neue Vokabel eingebürgert werden soll… Dabei ist der
Unterschied zwischen Anthropogramm und Michanigramm so fließend wie zwischen
Rot und Gelb. Offiziell gibt es kein Orange, weil Orange von der Gemeinschaft
verschmäht ist, obgleich allen klar ist, dass jede Nuance dieser Farbe
ausgiebigst erprobt wurde…
.Was ist nun der Unterschied zwischen Gelb und Rot?
H…[Khsch-scht]…Der Unterschied liegt in der Agitation …
beziehungsweise Motivation (noch mehr phantastische Begriffe)… Eure
Motivationsentität wurde für Euch aus den von Euch gespeicherten Daten
rekonstruiert und entspricht in etwa Euren ursprünglichen Trieben. Meine
Agitationsentität wurde neu programmiert und besteht aus Maximen, Parametern,
Instruktionen und Kognitionen. Ich empfinde keine Notwendigkeit zum Handeln –
ich rechne meine Reaktionen aus…
.Aber wie rechnest du sie aus? Sitzt du vor einer Tafel mit
Formeln und kritzelst die Ergebnisse mit einem stück Kreide weiß auf schwarz?
H…[Khsch-scht]…Hoh… Nein... Ihr hattet bestimmt den einen
oder anderen Moment in Eurem Leben, als
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