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Burgfrieden

Burgfrieden

Titel: Burgfrieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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zwar bei sich, aber nicht am Finger trug. Hatte er ihn ihretwegen abgenommen?
    »Schluss mit diesen Hirngespinsten«, schalt Jenny sich. Er war ein netter Kollege gewissermaßen, und damit hatte es sich. Was ging sie sein Liebesleben an? Jetzt gab es ohnehin Wichtigeres zu tun. Es war ihr gelungen, die Seiten aus dem Schlitz zu ziehen und in Sicherheit zu bringen. Sie konnte es kaum erwarten, endlich nachzusehen, ob es sich tatsächlich um die Handschrift handelte. Aber zuerst würde sie Lenz noch ein wenig zappeln lassen. Er hatte ihr ja eben auch nicht gerade freimütig Auskunft erteilt.
    Die Kellnerin kam und nahm ihre Bestellung auf: Ein Lemonsoda für Jenny und einen Cappuccino für Lenz. Der lehnte sich jetzt zurück, streckte seine langen Beine von sich und faltete die Hände im Schoß.
    »Hast du immer noch deinen Fahrradhelm auf. Du willst ihn nicht abnehmen?«
    Wie versunken betrachtete Jenny den Verkehr auf der Talferbrücke. Schließlich riss sie sich von dem Anblick los und öffnete im Zeitlupentempo die Schließe ihres Helms. Vorsichtig nahm sie ihn ab und legte ihn mit der Wölbung nach unten auf den Tisch. In dem Moment brachte die Kellnerin die Getränke. Jenny beugte sich vor und stütze sich mit verschränkten Armen auf die Kopfbedeckung. Mit der Hand fuhr sie in den Hohlraum unter sich. Erst jetzt bemerkte sie, dass sich das Material eigenartig glatt anfühlte. Gar nicht wie Pergament …
    »Jenny, weiß ich, dass du etwas in deinem Helm hast. Wollen wir nachsehen, was es ist.« Gemeiner Kerl! Er hatte es die ganze Zeit über gewusst. Dabei hatte sie sich für so schlau gehalten, als sie geistesgegenwärtig die Seiten in ihrem Helm verborgen und diesen aufgesetzt hatte. Wenigstens den dicken Wärter hatte sie täuschen können, sonst säßen sie jetzt vermutlich nicht hier.
    »Na schön.« Schulterzuckend nahm Jenny die Blätter aus dem Behältnis und legte sie zwischen den Getränken auf den Tisch. Beide sahen sofort, dass es sich nicht um die Handschrift handeln konnte. Es waren einfach ein paar Papierseiten, die jemand aus einem Notizheft herausgerissen und in dem Spalt deponiert hatte. Wie und wann, war die Frage, vor allem aber zu welchem Zweck.
    Hastig blätterte Jenny die Seiten durch.
    »Sie sind leer. Jemand hat uns einen Streich gespielt.« Als wollte sie ihre Enttäuschung hinunterspülen, nahm sie einen kräftigen Schluck aus dem Glas, das vor ihr stand. Inzwischen hatte Lenz begonnen, das Papier noch einmal genauer zu studieren. Bogen um Bogen hob er vor sich gegen das Sonnenlicht und tastete ihn jeweils durch seine Brillengläser hindurch mit den Augen ab. Vermutete er, dass jemand mit unsichtbarer Tinte etwas darauf geschrieben hatte?
    Jenny wollte nicht an solchen Humbug glauben. Jemand, vermutlich Mordred, war ihnen auf die Schliche gekommen und hatte eine falsche Fährte gelegt. Während sie einem Phantom nachjagten, hatte der Täter alle Zeit der Welt, die Handschrift an einem Ort zu verstecken, den keiner erraten würde. Bei aller Wertschätzung für Arthur, Jenny hatte endgültig die Nase voll. Sie würde jetzt ihren Drahtesel – verächtlich sah sie zu dem Citybike, das Lenz für sie besorgt hatte – beim Verleih retournieren, in die Villa zurückkehren und aus der Sache aussteigen. Was sie betraf, war das Abenteuer »Handschrift« ein für allemal beendet.
    »Schau mal, kleben da zwei Seiten zusammen.« Lenz hatte sie leicht angestupst und hielt ihr jetzt etwas hin, das sie widerwillig in Augenschein nahm. Tatsächlich, er hatte recht. Eine der Doppelseiten war an den Rändern mit einer Art Klebstoff zusammengefügt worden. Und wenn sie sich nicht irrte, dann befand sich darin ein kleineres, zusammengefaltetes Papier. Wie hatte sie das übersehen können? Sie war beim Durchblättern wohl doch etwas zu ungestüm vorgegangen.
    Lenz, der sich schon daran gemacht hatte, den Bogen vorsichtig mit dem Stielende seines Kaffeelöffels aufzuschlitzen, warf ihr einen Blick zu.
    »Glaub’ ich, ist noch eine Karte drin.« Bevor er mit seinem Tun fortfuhr, fasste er das Papier mit zwei Fingern und drehte es so, dass die bereits geöffnete Seite nach unten zeigte. Auf den Tisch fiel ein Plan, der demjenigen, den Jenny am Vortag bei Mordred gefunden hatte, verblüffend ähnlich sah. Lenz entfaltete ihn und hielt ihn hoch. »Ist wieder die Altstadt drauf. Find’ ich aber kein Kreuz.«
    Diesmal war es Jenny, die das richtige Gespür hatte.
    »Es ist auf der Rückseite.« Von ihrer

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