Burke 2 - Strega
schloß meine Hand ein paarmal, damit er die Botschaft kapierte.
Der Stronzo nahm seine dunkle Brille ab, hängte sie an seine baumelnden Kettchen und tat so, als denke er wirklich darüber nach, mich nicht zu bezahlen – oder er tat nur so, als denke er wirklich, ich konnte nicht sagen, was. Dann entschied er sich. Er reichte mir ohne ein weiteres Wort den Umschlag, hatte aber noch etwas im Sinn. Ich schmiß den Umschlag auf den Rücksitz, damit er über etwas anderes nachdenken konnte. Ich nahm den Fuß von der Bremse, und der Plymouth begann vorwärts zu rollen.
»He!« sagte er. »Warte ’ne Sekunde.«
»Was?«
»Äh ... schau, Mann. Wenn du jemals irgendwen bei der Arbeit brauchst ..., du weißt schon. Ich könnte immer ’n bißchen Extraknete brauchen, klar?«
»Nein«, beschied ich ihn, das Gesicht undurchdringlich wie eine Gefängnismauer.
»He, hör mir doch bloß ’ne Minute zu, okay? Ich hab Erfahrung, weißt du, was ich sage?«
»Kleiner«, erklärte ich ihm, »von mir gibt’s Steckbriefe, die sind älter als du«, und wollte wieder anrollen.
Die Hand des Stronzo marschierte wieder in seine Tasche, doch diesmal brachte er einen kurzläufigen Revolver zum Vorschein – er steckte ihn durch das offene Fenster und hielt ihn mir ruhig zirka fünf Zentimeter vors Gesicht.
»Mach keinen scheiß Mucks! Kapierste das? Du bleibst, beim Arsch noch mal, da sitzen und hörst zu, wenn ich rede, verstehst du? Ich bin kein scheiß Nigger, den du einfach stehen läßt – ich rede mit dir.«
Ich blickte ihn an, sagte nichts. Es gab nichts zu sagen – Julio schickte mir einen Botenjungen mit gefährlichem Größenwahn.
Heutzutage gutes Personal zu finden ist schwer.
»Zeig mir gefälligst ’n bißchen Respekt, ha?« bellte der Stronzo, »Du bist kein’ Scheiß besser als ich.«
»Yeah, bin ich«, beschied ich ihn, nett ruhig und sachte. »Bevor ich’s tu, denke ich drüber nach, was ich tu. Denk du jetzt drüber nach. Denk drüber nach, daß ich allein hierher gekommen bin.
Denk drüber nach, wie du von hier rauskommen willst, wenn du abdrückst. Denk drüber nach, was du dem alten Mann erzählen willst. Denk drüber nach ... und dann denk drüber nach, was du zu sagen hast – und sag es.«
Der Stronzo versuchte nachzudenken und gleichzeitig die Knarre auf mich zu richten. Es war zuviel des Guten und überforderte sein Hirn. Der Kurzläufige zitterte für eine Sekunde in seiner Hand, und er schaute ihn an, als ob er ihn ausgetrickst hätte. Als seine Augen wieder zu mir hochkamen, blickte er auf die abgesägte Schrotflinte, die ich in meiner rechten Hand hielt.
»Ich höre«, erklärte ich ihm. Aber er hatte nichts zu sagen. »Du weißt, wie man das Ding lädt?« fragte ich ihn. »Oder hat das jemand anders für dich gemacht?«
»Ich weiß ...« murmelte er.
»Dann entlade es, Scheiße noch mal, Kleiner. Und mach langsam – oder ich puste dir deine hübschen Goldketten mitten durch die Brust.«
Er richtete den Revolver nach oben, klappte die Trommel raus, hielt sie umgedreht und ließ langsam die Patronen rausfallen. Sie machten ein leises Plopp-Geräusch, als sie am Boden aufschlugen.
Auf dem Hinterhof gab es soviel feuchten Schrott, daß man ohne allzuviel Lärm einen Safe aus dem zehnten Stock hätte fallen lassen können.
»Hör mir zu«, sagte ich, ruhig wie ein Totengräber. »Du hast ’nen Fehler gemacht. Wenn du auch nur dran denkst, noch einen zu machen, dann geh und mach dein Testament, verstanden?«
Er nickte bloß. Schon besser.
Ich tippte aufs Gas, und der Plymouth rollte vom Hof und steuerte heimwärts. Als ich die Flatbush Avenue kreuzte, hatten meine Hände aufgehört zu zittern.
Der Plymouth zog langsam seine Bahn die Atlantic Avenue runter. Es war nicht der schnellste Weg von Brooklyn zurück, aber es war der ruhigste. Ich beäugte all die Antiquitätenläden und In-Restaurants, die während der letzten Monate aus dem Boden geschossen waren – die Trinkerheilanstalten und Tante-Emma-Kirchen hatten nicht den Hauch einer Chance.
Die neue heiße Meile zieht sich von Flatbush aus bis runter hinter das Untersuchungsgefängnis von Brooklyn – Frühyuppie-Lofts mit getönten Glasfenstern hockten über kleinen Läden, wo man fünfzig verschiedene Sorten Käse kaufen konnte. Einige der Läden verkauften noch Wein, wenn auch nicht die Sorte, die man aus der Papiertüte trinkt. Doch die Kunde von der urbanen Renaissance war noch nicht bis zu den hiesigen Pennern durchgedrungen
Weitere Kostenlose Bücher