Burke 2 - Strega
– es war noch immer nicht ratsam, nach Einbruch der Dunkelheit an einer roten Ampel rumzutrödeln.
Ich bog in die Adams Street ab und hielt gen Brooklyn Bridge.
Am Himmel waren bereits die ersten Schlieren dreckigen Tageslichts. Die Familienkammer war zu meiner Rechten, der Oberste Gerichtshof zu meiner Linken. Es funktionierte gut auf diese Weise – wenn die Sozialarbeiter mit den Kids fertig sind, kann sie das Gefängnis übernehmen.
Der Zeitungsjunge stand auf dem Mittelstreifen just vor der Auffahrt zur Brücke. Er hatte einen Packen Blätter unter einem Arm, ackerte für ein paar ehrliche Kröten. Autofahrer, die die Chose kannten, drückten auf die Hupe, hielten den Arm aus dem Fenster, und der Bengel rauschte herbei, klatschte dir ein Blatt in die Hand, sackte das Wechselgeld ein und zog weiter. Alle heilige Zeit bestimmte ein Streifenwagen, der Junge sollte an einer anderen Ecke arbeiten, aber meistens ließen die Cops die Jungs in Frieden.
Ich zog auf die Linksabbiegerspur und ignorierte wie alle anderen das Zeichen. Als ich auf die Hupe hieb, kam der Bengel rüber. Ich drückte auf den Knopf, um mein Fenster zu senken, und schaute ihn mir näher an: ein schwarzer Junge, zirka fünfzehn, stämmmiger Wuchs. Ein Navy-Käppi auf einem buschigen Afro.
Ich winkte ab, als er mir die Daily News anbot.
»Magnum heute im Dienst?« fragte ich.
»Yeah, Mann. Isser. Auf der andern Seite, Sie wissen schon?«
Der Plymouth rollte bereits, und ich timte ihn so, daß ich von der Ampel aufgehalten wurde. Ich beobachtete, wie der schwarze Junge über die Straße flitzte, um Magnum mitzuteilen, daß er einen Kunden hatte. Auf dem vierundzwanzigstündigen Nachrichtenkanal sagten sie etwas über ein weiteres zu Tode geprügeltes Baby; diesmal in der Bronx. Fälle wie diesen gibt’s heutzutage oft, und sie liefern einem lediglich die täglichen Abschußzahlen.
Das Licht wechselte. Der Plymouth rollte vorwärts, bis ich Magnum ausmachte, der am Fahrbahnteiler stand, einen Packen Blätter in einer Hand, eine große Leinentasche an einem breiten Riemen um den Hals. Magnum ist zirka dreißig, zu alt, um Zeitungen zu verkaufen.
Er erkannte das Auto – schaute genauer hin, um auch den Fahrer zu erkennen.
»Zeitung, Mister?«
»Yeah, gib mir das Wall Street Journal«, sagte ich und hielt ihm gleichzeitig einen Zwanziger hin.
»Oh, yeah. Irgendwo hier hab ich eins«, murmelte er und kramte in seiner Leinentasche.
Während er runter auf seine Tasche schaute, ließ ich den Blick rasch über die Straße gleiten und wußte, er tat dasselbe. Nichts.
Ich streckte die Linke nach dem Blatt aus, das Magnum über den Rand seiner Tasche hielt, schnipste ihm den Zwanziger zu und ließ gleichzeitig die Abgesägte in seine Tasche fallen. Die Schwerkraft ist ein Gesetz, das niemand verscheißert.
Magnum verdient sich seinen Namen ehrlich, wenn schon nicht sein Einkommen. Ich schmiß die News von gestern auf den Vordersitz und fuhr davon, gen Chinatown. Ich schleppe nicht gern eine Wumme über die Grenze.
Die Straßen von Chinatown kamen grade in Schwung: junge Männer schoben mit frischem Gemüse beladene Handwagen, ältere Frauen trotteten auf einen weiteren Tag in die Knochenmühlen. Ich erspähte Hobart Chan, der in seinem schwarzen Bentley über die Bowery kreuzte, ein Hai auf der Suche nach Blut im Wasser. In Chinatown gehen sogar die Gangster früh zur Arbeit.
Ich rollte bei Mama vorbei und checkte die Fensterfront. Der weiße Papierdrachen war ausgestellt – drinnen war alles cool. Ich jonglierte durch die enge Gasse und ließ den Plymouth an seinem üblichen Fleck, mitten unter ein paar chinesischen Schriftzeichen auf der Wand, die die ortsansässigen Strolche warnten, nicht dort zu parken. Es störte mich nicht – es war Max’ Schrift.
Ich ging durch die Küche und nach hinten, wie ich es normalerweise tue. Als ich die Tür öffnete, ließ einer von Mamas angeblichen Köchen locker die Hand in seinen weißen Mantel gleiten – er zog sie leer wieder raus, als er mich erkannte. Ich lief nach vorn, zog die Normalausgabe der News unter der Kasse vor und lief zu meinem Tisch nach hinten, neben der Küche. Keiner näherte sich meinem Tisch und gab vor, ein Kellner zu sein, also war Mama irgendwo in der Nähe. Ich las mich durch die Rennergebnisse der letzten Nacht in Yonkers und wartete.
Ich kriegte einen Schatten über der Zeitung mit und blickte auf.
Es war Mama – sie wirkte, als ob sie just aus einem 1950er
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