Burke 2 - Strega
bereits.
Max gestikulierte ihr zu, zwei Finger an den Daumen gedrückt.
Er führte dieselbe Hand zurück zu seinem Herzen, klopfte sich leicht auf die Brust, verbeugte sich, langte mit der linken Hand zurück zu seinem alten, ausrangierten Regenmantel, hielt ihn in einer Hand, berührte, eines nach dem anderen, mit der rechten seine Augen. Er faßte sich wieder ans Herz.
»Mein Bruder sagt, Sie sind eine Frau mit großem Mut. Sie haben einen Ihrer Meinung nach alten Mann vor solch gefährlichen Menschen beschützt.«
Die Frau räusperte sich, lächelte sanft aus dem Mundwinkel. Sie sprach so gemessen wie ich, nur den Hauch eines französischen Akzents in der Stimme.
»Ihr Bruder kann sehr irreführend wirken.«
Max schwang abwesend den Fuß gegen den Brustkasten einer der auf dem Boden liegenden Maden und nahm den Blick keinmal von der Frau. Ich hörte ein Geräusch wie von einem knackenden Zweig. Er berührte wieder seine Augen, schüttelte verneinend den Kopf. Er dehnte seine Brust; seine Augen wurden starr, und sein Körper strahlte Kraft aus. Er wandte sich an mich.
»Mein Bruder sagt, eine Made kann einen wahren Mann nicht erkennen«, sagte ich ihr.
Sie fragte mit dem immer noch gleichen zögerlichen Lächeln: »Kann eine Made eine wahre Frau erkennen?«
Max zog eine dunkle Sonnenbrille aus meiner Manteltasche – er weiß, wo ich sie aufbewahre – und setzte sie sich auf. Er machte eine Geste, als taste er mit einem Stock, nahm die Brille ab, stieß mit beiden Händen nach der Frau und lächelte.
»Mein Bruder sagt, selbst ein Blinder könnte eine Frau von Ihrer Art erkennen«, übersetzte ich, und noch bevor ich fertig war, lächelte auch sie.
Und so begegnete Max Immaculata.
Für Mama war Immaculata ein »Barmädchen«, ihr Allerweltsbegriff für alles von der Prostituierten bis zur Hosteß.
Eine Vietnamesin war schlimm genug, aber eine mit gemischter Elternschaft war unwiderruflich suspekt. Was sie anging, brauchte ein wahrer Krieger keine Frau, außer bei bestimmten Gelegenheiten.
Mama schien ihr Restaurant nie zu verlassen, doch ihren Augen entging nichts. Sie wußte, daß Max noch immer hinten in dem Lagerhaus nahe der Division Street wohnte, wo oben sein Tempel versteckt war. Doch er wohnte nicht mehr allein. Für Mama war alles, das kein Geschäft war, schlecht.
Immaculata hatte, bevor sie Max begegnet war, in einer Bar in Manhattan als Hosteß gearbeitet. Sie war in Frankreich zu einer Art Therapeutin geschult worden, doch sie konnte in diesem Land nicht praktizieren, bis sie genug Kurse zusammen hatte und eine Zulassung kriegte.
Ich sah sie eines Tages bei der Arbeit, als ich auf der Suche nach Max rüber ins Lagerhaus kam. Ich stieß mit dem Plymouth in die Garage im Erdgeschoß. Sie war leer – war sie immer. Ich stieg aus dem Auto, schloß die Garagentore und wartete. Falls Max in der Nähe war, würde er früh genug da sein. Falls er sich nicht in ein paar Minuten zeigte, würde ich ihm einfach eine Nachricht auf die Rückwand malen.
Ich hörte ein Fingerschnippen, blickte nach links, und da war Max. Er hielt einen Finger vor die Lippen – kein Laut. Ich kletterte aus dem Plymouth, ließ die Tür offen und lief dahin, wo Max stand. Er winkte mir, ihm nach oben zu folgen.
Wir tappten den schmalen Eisensteg entlang bis zu seinem Tempel. Als wir zu der blanken Mauer hinter der Tempeltür kamen, langte Max hoch und zog den Vorhang zurück. Wir blickten durch einen Einwegspiegel in etwas, das wie ein Kinderspielzimmer aussah: Möbel in Kindergröße, hell gestrichene Wände, überall Spielsachen. Immaculata hatte sich an einen kleinen Tisch gesetzt. Ihr gegenüber war ein kleines Mädchen – vielleicht vier Jahre alt. Beide zeigten uns ihr Profil. Es sah aus, als spielten sie zusammen mit ein paar Puppen.
Ich zuckte die Achseln, spreizte die Hände, Innenflächen nach oben. »Was soll das?« fragte ich Max. Er tätschelte mit beiden Händen die Luft vor sich und deutete auf seine Augen: »Sei geduldig und schau hin.«
Auf dem Tisch waren vier Puppen. Zwei waren größer als eine gewöhnliche Kinderpuppe; die anderen beiden waren viel kleiner.
An ihrer Kleidung und dem Haar konnte ich sehen, daß es zwei Männer und zwei Frauen waren.
Immaculata legte die Puppen auf die eine Seite des Tisches und fragte das Kind etwas; sie wirkte ruhig und geduldig. Das kleine Mädchen nahm eine der kleineren Puppen und fing an, sie auszuziehen, langsam und widerwillig. Dann hörte es auf. Es
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