Burnout vorbeugen und heilen
eine magere Schwein, das noch herumläuft, nicht etwa schlachten, sondern es mit den letzten Vorräten dick und rund mästen – und das Tier dann über die Stadtmauer werfen. Ihr Vorschlag erntet Unverständnis und Anfeindungen, doch letztendlich wird der Plan der Stadtherrin in die Tat umgesetzt: Das Schwein wird gemästet und über die Stadtmauer geworfen. Die Belagerer staunen. Und siehe da: Die Belagerer ziehen ab.
Viele Jahre später wurde die Stadt nach dem Namen der Stadtherrin Carcas benannt und heißt noch heute Carcassonne.
Was ist geschehen? Die Bewohner der Stadt befanden sich in einer Zwickmühle. Sie wollten weder Hungers sterben noch sich den Belagerern ausliefern. So gerieten sie in innere und äußere Konflikte. Was tun in einer solchen Situation? Die Lösung besteht nicht darin, entweder das eine oder das andere zu wählen oder gar keine Entscheidung zu treffen; sondern darin, einen Weg zu gehen, der über das bisher Praktizierte, Gedachte und Gewohnte hinausgeht.
„Und wie kommt man zu solch einer Lösung?“
„Durch einen Einfall.“
„Und wie kommt man zu solch einem Einfall?“
„Dadurch, dass man Bedenken, ungewohnte Fantasien und Ideen zulässt.“
„Wie kommt man zu ungewohnten Fantasien und Ideen?“
„Indem man zunächst beide Seiten / Standpunkte zulässt und das, was an beiden Seiten / Sichtweisen wichtig ist, herausfindet und ernst nimmt.“
„Dann kommen aber Konflikte und Zweifel. Manchmal spürt man sogar Verzweiflung.“
„Ja, das stimmt. Es gilt, dies zuzulassen, es zu spüren und auszuhalten.“
„Und was passiert dann?“
„Dann lässt man sich abtauchen in das unerschöpfliche Reservoir des Unbewussten. Wenn man wieder auftaucht, hat man mit großer Wahrscheinlichkeit andere, für einen selbst neue Ideen dabei.“
Für unser Thema bedeutet das: Alle Lebensbereiche dürfen als jeweils wichtig immer wieder neu abgewogen und bewertet werden. Sie dürfen nebeneinander stehen und auf ihren Gehalt, ihre Position hin befragt werden. Im Denken und Darüber-Reden ist es hilfreich, sie nicht gegeneinanderzustellen, wie es geschieht, wenn wir mit „einerseits – anderseits“ oder „aber“ formulieren. Vielmehr empfehle ich Ihnen, eine Gleichzeitigkeit herzustellen: Statt „aber“ „und“ zu gebrauchen oder auch „gleichzeitig“ („Ich möchte dies und gleichzeitig das“), die Bereiche nebeneinanderzustellen. Wenn wir dies zulassen, können die erwähnten inneren und äußeren Konflikte spürbar werden und wirken und einer Lösung 2. Ordnung den Weg bahnen.
Um Ihnen das Prinzip zu verdeutlichen, erzähle ich Ihnen ein Beispiel aus einem Coaching:
Ich beriet einen Mann, der in einer Stadt arbeitete, die 200 Kilometer von seinem Wohnort entfernt lag. Er kam zu mir, weil er darunter litt, beides „nicht unter einen Hut zu bekommen“. Trotz Mehrarbeit und auch mehr Einsatz zu Hause gelang ihm sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause zunehmend weniger. Die große räumliche Trennung von Beruf und Familie bestand seit drei Jahren und bereitete ihm zunehmend Schwierigkeiten. Seinen Beruf und die Stelle beschrieb er als genau das, was er immer gewollt habe, leider nur so weit von der Familie entfernt. Er fühlte sich zunehmend ausgelaugt und erschöpft. Auch seine Frau und seine Kinder litten darunter. Inzwischen hatte er eine Zweitwohnung gemietet, um unter der Woche im Arbeitsort übernachten zu können. Doch das helfe nicht wirklich und er sah keinen Sinn mehr darin, sich so weiter abzumühen.
Als er seine Situation erzählte, formulierte er mehrmals, dass ihm das Privatleben früher immer wichtiger gewesen sei als der Beruf. Jetzt sah es für ihn so aus, als sei es gerade umgedreht: Das Berufsleben sei wichtiger geworden. Nach seinen Ausführungen befragte ich ihn genauer, um herauszuarbeiten, was ihm im Berufsleben und was im Privatleben wirklich wichtig war. Seine Aussagen schrieb ich an ein Flipchart. Als er mit der Aufzählung fertig war, begann er (wieder), beides gegeneinander aufzurechnen und zu suchen, was jetzt positiv oder negativ sei, was eventuell doch wichtiger und weniger wichtig.
Ich stoppte ihn, erklärte ihm, dass mir auffiel, wie er die beiden Bereiche gegeneinander abwäge, was sprachlich in einem „Aber“ und in „einerseits – andererseits“ zum Ausdruck komme. Er konnte dies nachvollziehen und war überrascht und neugierig. Ich erklärte ihm, dass er so sprachlich Gegensätze schaffe, und übte mit ihm an ganz einfachen
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