Burnout vorbeugen und heilen
in einen völlig reizabgeschirmten Raum ohne Geräusche und ohne Licht aufhielten, nach einiger Zeit Halluzinationen entwickelten. Da sie keine Reize von außen erhielten, produzierten diese Menschen selbst welche.
Reize sind überlebensnotwendig. Menschen begeben sich deshalb gern in Gesellschaft, in einen gewissen Trubel, auch in „kitzlige“ Situationen mit Risiko und Grenzerfahrungen. Dort erleben sie sowohl Außenreize als auch Innenreize, sie spüren sich. „Ich habe gemerkt, dass ich noch lebe“, sagte ein Teilnehmer nach einer Übung im Hochseilgarten. Aus dem Mund eines ganz offensichtlich quicklebendigen Mannes klang diese Aussage vielleicht etwas merkwürdig, doch sie drückte den Kern seiner Erfahrung aus: „Ich habe mich gespürt.“
Eine Unterform von Stimulation ist die Aufmerksamkeit, die Beachtung, die Zuwendung durch Menschen und andere Lebewesen über
Blicke,
Gesten,
Worte,
Geruch
und Körperberührung.
3.9.2 Die Geschichte der Zuwendungstheorie
Das menschliche Bedürfnis nach Zuwendung wurde in den 1950er-Jahren sehr gründlich erforscht. René Spitz [10] untersuchte die Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern und stellte fest, dass zu wenig Zuwendung zu Krankheiten und sogar zum Tode führte. Eric Berne [11] (1975) stellte fest, dass Menschen ständig eine bestimmte Menge an Zuwendung brauchen und sich bewusst oder unbewusst so verhalten, dass sie sich genau diese Zuwendung verschaffen. Die kleinste Einheit an Zuwendung bezeichnete er als Streicheleinheit, ein Begriff, der inzwischen in unseren Wortschatz eingegangen ist.
3.9.3 Arten der Zuwendung
Positive und negative Zuwendung
Wenn Menschen nicht genügend positive Zuwendung erhalten, verhalten sie sich unbewusst so, dass sie zumindest negative Zuwendung bekommen. Auch wenn Letztere als unangenehm empfunden wird, sie ist immer noch besser als gar keine. Schon als Säuglinge, Kleinkinder und Kinder entwickeln wir entsprechend unserer Umgebung ein individuelles Zuwendungsverhalten, mit dem wir uns meist unbewusst eine bestimmte Menge an positiver und negativer Zuwendung holen.
Bedingungslose und bedingte Zuwendung
Anerkennung gibt es in positiv und negativ erlebter, in bedingungsloser und bedingter Form. Unter bedingungsloser positiver Zuwendung verstehen wir, wenn jemand Zuwendung erhält, weil sich der andere einfach für ihn interessiert, ihn einfach mag und dies zum Ausdruck bringt („Ich freue mich, dich zu sehen!“). Bedingungslose Zuwendung ist an keine Voraussetzung oder Leistung geknüpft und ist die Basis für ein starkes, gutes Selbstgefühl. Sicher kennen Sie, wie gut es tut, wenn sich jemand Ihnen interessiert zuwendet oder Ihnen sagt, dass er Sie mag, „einfach nur so“. Auf einer der ersten Autofahrten mit der neuen jungen Hündin kommentierte mein Sohn die Situation einmal so: „Ist doch interessant, sie macht überhaupt nichts Besonderes, eventuell sogar noch Mühe, weil sie Gassi gehen muss, und dennoch mögen wir sie alle, einfach so.“
Abbildung 3-1: Arten der Zuwendung (© Schneider 2013)
Unter negativ bedingungsloser Zuwendung verstehen wir, wenn jemand generell abgelehnt wird; wenn ihm mit der Haltung begegnet wird: „Ich mag dich überhaupt nicht!“, „Geh weg!“ oder „Hau ab!“. Dies kann in Worten oder auch nur in Gesten ausgedrückt werden.
Dann gibt es positiv bedingte Zuwendung , die für Verhalten, Dinge, Taten, Überzeugungen und Leistungen gegeben bzw. erhalten wird: „Mir gefällt, wie du singst.“ Oder: „Das hast du prima gemacht!“ Und es gibt negativ bedingte Zuwendung . Sie ist ebenfalls an Bedingungen und Leistungen geknüpft, was sich in folgenden Bemerkungen ausdrückt: „Ich mag nicht, wie du dich gerade verhältst“, „Ich mag deine Art nicht!“ Oder: „Das hast du schlecht gemacht!“
Bei Menschen mit Burnout und anderen Erschöpfungszuständen finden wir ausgeprägt das Phänomen, dass sie sehr wenig oder gar keine bedingungslose Zuwendung für sich in Anspruch nehmen. In ihrer Lebensgeschichte haben sie gelernt, Zuwendung fast immer nur für Leistung zu erhalten. Wenn sie etwas erhalten oder sich etwas nehmen, meinen sie, es sich verdienen zu müssen, sonst haben sie Schuldgefühle. Sie haben häufig das innere Gefühl, nur dann eine Lebensberechtigung zu haben, wenn sie etwas leisten. Unbewusst versuchen Sie, die Lücke der fehlenden bedingungslosen Zuwendung mit bedingter Zuwendung zu füllen. Ein Unterfangen, das nie gelingt und in Stresssituationen in
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