Burnout vorbeugen und heilen
gedanklich und emotional achtsame und wohlwollende Zuwendung zu sich selbst; sich ein erholsames Bad einlaufen zu lassen, einen Spaziergang im Abendrot zu unternehmen ...
Zusammengefasst lauten die unbewussten Zuwendungsregeln: [12]
Gib keine positive Zuwendung!
(„Sonst tanzen dir die Leute auf der Nase herum!“)
Bitte nicht um positive Zuwendung!
(„Du könntest als schwach angesehen werden!“)
Nimm positive Zuwendung nicht an!
(„Du könntest manipuliert werden!“)
Lehne positive Zuwendung nicht ab!
(„Du könntest als arrogant gelten!“)
Gib Dir selbst keine positive Zuwendung!
(„Du könntest als eitel und überheblich gelten!“)
Für negative Zuwendung gilt allerdings: [13]
Gib negative Zuwendung!
(„... auch wenn du dich dabei nicht gut fühlst!“)
Hole dir negative Zuwendung!
(„Sie ist besser als gar keine!“)
Nimm negative Zuwendung an!
(„Sonst bekommst du sowieso keine!“)
Lehne negative Zuwendung nicht ab!
(„Sonst bist du ungehorsam!“)
Gib dir selbst negative Zuwendung!
(„So bist du ein braves Kind / ein folgsamer Mitarbeiter!“)
In Kombination mit dem oben beschriebenen Grundprinzip: „Negative Zuwendung ist besser als gar keine“ wirkt sich die gelebte, gesellschaftlich tradierte Zuwendungskultur so aus, dass Menschen als Kinder und Jugendliche lernen, negative Zuwendung zu erhalten und zu geben, wenn sie nicht genügend oder keine positive Zuwendung erhalten. Sie etablieren dieses Verhalten dann als unbewusstes Gewohnheitsmuster. Auch als Erwachsene setzten sie sich dann – vor- und unbewusst – immer wieder negativer Zuwendung aus oder rufen diese – vor- und unbewusst – hervor.
Nicht selten verstehen Menschen positive Zuwendung als negative – als hätten sie in diesem Moment einen Zuwendungsumwandler aktiviert, der positiv in negative ummodelt.
Ein Beispiel:
Jemand sagt zu seiner Freundin: „Diese Bluse steht dir sehr gut!“ Die Freundin antwortet: „Da sieht man ja mal wieder, dass ich dir schnurzegal bin. Was ich gestern für dich gemacht habe, hast du ja überhaupt nicht bemerkt.“ (Oder – noch deutlicher: „Dass ich mich schon gestern extra für dich schick gemacht hatte, hast du ...)
Vielleicht ahnen oder verstehen Sie jetzt manche Ihrer eigenen Verhaltensweisen oder auch manche Ihrer Mitmenschen. Haben Sie nicht schon manchmal Ihren Kopf geschüttelt und sich gefragt: „Wie kommt der denn bloß dazu, so etwas zu machen?“, „Warum geht sie dieses hohe Risiko ein?“, „Warum macht der mit diesem provozierenden Verhalten einfach so weiter? Er ist doch damit schon auf die Nase gefallen. Hat er denn noch nicht genug Ablehnung kassiert?“, „Warum muss sie sich denn immer so in den Mittelpunkt drängen?“ Etc.
Bewusste Auflösung der Zuwendungsregeln
Die Auflösung der unbewussten Zuwendungsregeln oder -gewohnheiten und die Hinwendung zu einem bewussten Einsatz kann man sprachlich so zusammenfassen:
Gib anderen positive Zuwendung!
(„Wenn es passt. Dadurch zeigst du Interesse und schaffst stimmigen Kontakt.“)
Bitte andere um positive Zuwendung!
(„Wenn du sie brauchst oder möchtest und es zur Situation und dem Gegenüber passt.“)
Nimm positive Zuwendung von anderen an!
(„Wenn sie für dich stimmt: Du bleibst dabei frei, zu tun und zu lassen, was für dich stimmt.“)
Lehne positive Zuwendung anderer ab!
(„... wenn sie für dich nicht stimmt.“)
Gib dir selbst positive Zuwendung!
(„Dadurch wirst du selbstbewusst und selbstbestimmt!“)
Zuwendungsprofil 1
Wenn Sie mögen, können Sie selbst für sich noch einmal durchdenken, wie Sie mit positiver und negativer Zuwendung umgehen, indem Sie das folgende Zuwendungsprofil für sich ausfüllen. Stellen Sie die geschätzte Häufigkeit in den verschiedenen Kategorien für positive und negative Zuwendung als Balkendiagramm dar.
Abbildung 3-3: Arten der Zuwendung. Zuwendungsprofil 1 (nach Schneider 1987, S. 93) (© Schneider 2013)
3.9.5 Zuwendungsautarkie
Für mich war es eine meiner spannendsten Erfahrungen, die Logik der Zuwendung kennenzulernen und zu verstehen, wie wir uns in unserem Bedürfnis nach Zuwendung verhalten. Das Allerwichtigste war für mich zu verstehen, dass Menschen sich unbewusst in negativer Form von anderen abhängig machen und abhängig halten, wenn sie die gesellschaftlich tradierten Zuwendungsregeln nicht durchschauen und für sich selbst nicht auflösen. Erst wenn sie sich voll bewusst machen, was sie an Zuwendung brauchen und
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