Burnout vorbeugen und heilen
jetzt zwei von diesen Leuten, die das und das machen und meine Interessenlage ist es gar nicht, also entbinde mich gerne von dieser Aufgabe. Ich glaube, der andere macht das gerne und dem würde ich das wegnehmen.“ Es war für beide Seiten richtig gut – fand sie auch –, dass ich es aktiv angesprochen habe; auch dass ich gesagt habe, ich muss diese Rolle nicht haben. Und ich denke, es ist auch legitim, wenn man das sagt.
Das hat nichts mit sich drücken zu tun. Inzwischen habe ich eine andere Aufgabe oben draufgekriegt. Das ist manchmal so, ist aber nichts Schlimmes, da kann ich ganz gut mit umgehen. Ich habe dann schon gelacht und gesagt, ohne irgendwelche Sonderaufgaben kann ich anscheinend nicht existieren. Die fliegen mich immer an, aber sie sind nicht so belastend, wie das, was ich da vorher hätte machen sollen.
Sie hatten auch den Mut, Gespräche mit mir zu führen. Ich bekomme manchmal mit, dass Leute denken, das ist ja schwierig oder ich werde dann als krank abgestempelt.
Ja, die Erwägung hat man auch, ganz bestimmt. Das kostet erst einmal Überwindung zu sagen: „Du kommst mit diesem Problem alleine nicht mehr klar, was ist los mit dir?“ Dann ist es ein großer Unterschied, ob man sich ein körperliches Leiden oder ein seelisches Leiden eingesteht. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Sie können mit jedem darüber reden, wenn sie ein Bandscheibenproblem haben oder was weiß ich. Aber sagen Sie mal jemandem, ich habe heute Nachmittag noch Gesprächstherapie, das machen Sie eher nicht. Das ist doch mit einem gewissen Stigma behaftet.
Wie sind Sie damit umgegangen? Wie haben Sie das für sich erlebt?
Meiner Familie habe ich das erzählt. Mein Mann wusste das, meine Mutter, mit der ich ein sehr enges Verhältnis habe, die wusste das. Sie ist eine ganz taffe Frau. Ich habe auch gedacht, was kommt da jetzt wohl? Es kam aber nichts. Sie hat gemerkt, dass es mir nicht gut geht. Ich habe es ihr auch gesagt, wie ich zum Hausarzt gegangen bin und absolut erschöpft war. Ich habe dieses Wort (erschöpft) auch benutzt und auch, dass ich in irgendeiner Form Hilfe brauche. Ansonsten habe ich das aber für mich behalten. Ich habe auch für mich behalten, worüber wir gesprochen haben. Das war meins. Die haben da nie gepult oder so was. Die haben auch verstanden, dass das mein Leben ist und dass ich, wenn ich was habe, schon ankomme. Das Bedürfnis hatte ich aber auch nicht, das zu teilen. Ich hatte das Bedürfnis, für mich selbst etwas zu ändern.
Das wirkt sich ja in allen Lebensbereichen aus. Ich habe Ihnen das mal nach ein paar Sitzungen erzählt: Wir liegen so im Bett, da fragt mich mein Mann völlig belanglos „Wie geht es dir?“ und ich habe Rotz und Wasser geheult. Und ich bin dann in der Woche zu Ihnen gekommen und Sie haben gefragt, was so war in der Woche, und dann habe ich gesagt: „Ich habe diese Woche meine Fassung verloren.“ Und dann haben Sie noch gesagt: „Na endlich!“ Das werde ich auch nicht vergessen. Das ist das Einzige, was ich meinem Mann erzählt habe: „Weißt du, was Dr. Schneider gesagt hat? Ich hätte endlich mal die Fassung verloren, weil ich mich sonst wohl immer so beherrscht verhielte oder immer versuche alles im Griff zu haben.“ Das war das Einzige, was ich eigentlich erzählt habe.
Ja, es kamen immer wieder Reaktionen von Ihnen, die für mich im ersten Moment verblüffend waren, wo ich immer dachte: „Was, wie, da kommt nichts?“ Ich habe mich eigentlich ein bisschen dafür geschämt, die Fassung zu verlieren, und Sie fanden das ganz im Gegenteil völlig in Ordnung. Das gibt einem so eine andere Sichtweise auf das eigene Verhalten in dem Moment und man sieht sich wie eine dritte Person, das tut manchmal richtig gut.
Ich fand dies eine Schlüsselszene, in der Sie losgelassen und Gefühle zugelassen haben: „So geht es mir gerade.“ „Ich zeige mich auch mit meinen Gefühlen.“ Oft ist es für die Menschen so ein Schamgefühl, eigentlich ein Beschämungsgefühl, dass man früher so etwas nicht zeigen durfte oder konnte und jetzt darf man das.
Ja, genau.
Wie Sie es jetzt ausgedrückt haben, könnte man die Begleitung hier so beschreiben: Ich reagiere auf Sie und das ermöglicht Ihnen, sich neben sich zu stellen und sich ein eigenes Bild zu machen.
Diese Reaktion hätte ich so überhaupt nicht erwartet. Wie kommt das denn jetzt? Zwar zurückgeworfen auf sich selbst, aber an eine ganz andere Stelle. Ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll.
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