Burnout vorbeugen und heilen
durchlaufen, indem wir eine Fähigkeit nach der anderen weiterentwickeln.
Menschen, die infolge eines Burnout-Syndroms zusammenbrechen, sind zunächst einmal mit den Faktoren Raum und Zeit konfrontiert. Sie können nicht mehr vor sich, anderen und der Situation wegrennen. Sie liegen fest, fühlen sich anfangs oft ganz „apathisch“ oder „depressiv“. Und erst allmählich, wenn sie nach und nach „heruntergekommen“ sind, fangen sie an, Raum, Zeit und die Stille – anfangs noch vorsichtig argwöhnisch – wahrzunehmen. Über andere Menschen, die sich ihnen fürsorglich zuwenden, beginnen sie allmählich auch sich selbst zu spüren und ihre Empfindungen, Gefühle, Gedanken und Träume zuzulassen. Sie akzeptieren, Körper zu sein und Geist, Gefühl und Verstand. Sie merken, wie sie sich vermeintlich für andere „zerrissen“, „verbrannt“ und „aufgeopfert“ haben. Sie fangen an, eigene Bedürfnisse und Wünsche wieder zu spüren. Sie merken, wie sie über ihre Kraft gelebt haben, und fangen an, mit ihren Kräfte hauszuhalten. Schließlich entdecken sie, wie perfektionistisch sie waren, und lernen, heiter und gelassen zu sein und ihre Dinge anzupacken und zu vollenden.
Nebenher üben sie ihre Wachheit, ihre Aufmerksamkeit, ihre Konzentration, wie sie sich zentrieren und dadurch letztendlich lustvoll erleben können. Und sie stellen zunächst mit Verwunderung fest: Sie arbeiten mit viel weniger Zeitaufwand als vorher, wesentlich erfolgreicher als je zuvor und mit hoher Qualität. Ihre Mitarbeiter – falls sie welche haben – und die ihnen vertrauten Personen haben wieder Freude und Lust, mit ihnen zusammen zu sein. So stellen sie sich dem Leben und leben es.
Die Reihenfolge der Entwicklung und damit die Auflösung der verschiedenen Antreiber- und Gegenantreiberverhaltensweisen ist, je nach Person, individuell unterschiedlich. Wenn Sie einfach dem nachgehen, was für Sie obenauf liegt, gehen Sie ganz natürlich durch die verschiedenen Fähigkeiten und erschließen sie sich. An die am stärksten angelegte Fähigkeit kommen Sie meistens als Letztes. In dem gerade skizzierten Verlauf kam der Klient zuletzt an das Thema Perfektion. Die am stärksten angelegte Fähigkeit bleibt übrigens das ganze Leben lang die in Stresssituationen anfälligste Dynamik. Diese Fähigkeit gilt es immer wieder zu dosieren und durch die Nachreifung der anderen Fähigkeiten auszubalancieren.
Ein Beispiel aus dem Tennisunterricht:
Alexander spielt seit zwei Jahren begeistert Tennis und nimmt gerne und regelmäßig Unterricht. Er spielt inzwischen sehr gut und feilt an seiner Technik. Eines Tages im Unterricht erklärt ihm sein Lehrer zu seinem Erstaunen, dass er in der Technik hervorragend vorwärtsgekommen und auf diesem Gebiet in der Gruppe der Beste sei. Nun sei es an der Zeit, sich genauer mit dem Raum zu beschäftigen: Wie sieht der Platz genau aus, wie ist er aufgeteilt? Wie bewegt man sich auf dem Platz am besten? Wo kann man hinlaufen, wohin die Bälle platzieren? Usw. Wäre der Lehrer nicht, Alexander würde weiter – sogar verbissen – an seiner Technik feilen. Der Lehrer eröffnet ihm einen Zugang zum Ausbau anderer Fähigkeiten (hier das Raum-Zeit-Gefühl). Er merkt, wie gut im diese „Erweiterung“ tut, und spielt wie befreit, genießt auch Raum und Zeit.
Interview 3: Frau F., 48 Jahre alt
Das Interview habe ich Monate nach Beendigung der Einzeltherapie geführt. Frau F. hatte über einen Zeitraum von sieben Monaten 13 Sitzungen in Anspruch genommen.
Was würden Sie aus Ihrer heutigen Sicht und aus Ihrer Erfahrung heraus als Burnout bezeichnen?
Nicht mehr locker lassen können – und zwar in allen Bereichen. Ich bin da sicherlich beruflich hineingetrieben worden, aber ich denke, ich habe wahrscheinlich auch eine etwas perfektionistische Persönlichkeitsstruktur und das überträgt sich nachher auf alle Lebensbereiche. Auch zu Hause soll dann immer alles so sein, möglichst ordentlich und alles immer fertig. Man hat eigentlich immerzu etwas zu tun. Nachher ist mir selber aufgefallen, dass ich keine Ruhe mehr gefunden habe. Das war die beherrschende Grundstimmung.
Wie kamen Sie zu mir?
Das zog sich sicherlich über einen längeren Zeitraum hin, dass ich gesagt habe: „Jetzt geht es dir so schlecht, dass du etwas tun musst!“ Das hat sich bestimmt über ein Jahr hin aufgebaut, mit Phasen, wo es mal ging, wo es mal nicht ging, wo man gar nicht mehr darüber nachdachte, weil man so viel zu tun hatte. Dann
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