Burnout vorbeugen und heilen
Dabei ist der Begriff Krankheit ein zweischneidiges Schwert: Zum einen fühlen sich Betroffene entlastet, wenn ihre Schwierigkeiten als Krankheit bezeichnet werden, weil sie damit von finanziellen Regelungen des Gesundheitssystems und der Rentenversorgung profitieren können, zum anderen fühlen sie sich diskriminiert und abgestempelt. Seelische Erkrankungen sind auch heute mit einem negativen Stigma behaftet. Eine Krankschreibung mit einer Diagnose aus dem Bereich der Psychosomatik oder Psychiatrie oder durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie oder einen Facharzt für Psychotherapeutische Medizin führt bei dem Klienten oder im Betrieb eventuell zu negativen Auswirkungen.
Sehr interessant ist für mich die Beobachtung, dass in vielen Betrieben eine natürliche Erschöpfung oder ganz alltägliche Krankheiten schon als inakzeptabel gelten: Hätte sich der Betroffene gut verhalten, sich gesund ernährt, Sport gemacht, die Fortbildungskurse besucht und Psychohygiene betrieben, wäre er schließlich nicht krank geworden!
Erschöpfungszustände haben biologische, physikalische, individuelle, persönliche, lebensgeschichtliche, geistige, seelische, soziale, organisationale, politische und wirtschaftspolitische Hintergründe. Ohne diese Hintergründe gibt es kein Burnout-Syndrom und auch keine anderen „krankhaften“ Erschöpfungszustände. Die drei ausgewählten Interviews weisen unterschiedliche individuell biografische, seelische, soziale und organisationale Hintergründe von Burnout auf. Damit diese jeweils individuellen Hintergründe von Burnout und anderen Erschöpfungszuständen deutlich werden, habe ich drei unterschiedliche Interviews mit Klienten ausgewählt. Nach den Kriterien des ICD-10 würde man den Erschöpfungszustand des Betroffenen im Interview 1 als Burnout-Syndrom bezeichnen können, bei den Betroffenen in den Interviews 2 und 3 würde man von Erschöpfungszuständen auf dem Hintergrund einer depressiven Entwicklung sprechen.
Burnout-Prozess – Burnout-Syndrom
Mit dem Begriff „Burnout-Prozess“ werden das Entstehen und die Ausbildung des Burnout-Syndroms beschrieben, ein Vorgang, den ich vom Burnout-Syndrom selbst, dem Zustand der totalen körperlichen, geistigen und seelischen Erschöpfung, mit dem Gefühl der innerlichen Leere und des Ausgebrannt-Seins unterscheide. Dem Burnout-Prozess lassen sich die Disstressverhaltensweisen 1. und 2. Grades, dem Burnout-Syndrom das Disstressverhalten 3. Grades zuordnen.
Die Burnout-Symptomatik ist vielgestaltig, daher spricht man auch vom Burnout-Syndrom [41] . Bei Burisch (2010, S. 25 f.) finden Sie eine ausführliche Auflistung verschiedener Symptome.
Der Burnout-Prozess wird von verschiedenen Autoren mit Phasentheorien beschrieben (Edelwich & Brodsky 1980, Cherniss 1980, Lauderdale 1981, Freudenberger & Richelson 1983). Burisch stellt ein integriertes Modell für Burnout vor und beschreibt den Burnout-Prozess mit gestörten Handlungsepisoden (2010, S. 162 f.).
In Anlehnung an Cherniss (1980) lässt sich der Burnout-Prozess wie in Abb. 5-3 darstellen: Ausgangspunkte des Burnout-Vorgangs sind die Person selbst und die Arbeitsumgebung. Die Person selbst bringt sich in Schwierigkeiten durch unrealistische Arbeitsplatz- und Karrierevorstellungen, durch eine übergroße Beanspruchung eigener Ressourcen und durch zu wenig oder keine Unterstützung von außerhalb des Arbeitsplatzes. Die Arbeitsumgebung kann von außen gesehen mit folgenden Eigenschaften beschrieben werden: Der Betroffene wird nicht oder unzureichend in seinen Arbeitsplatz eingeführt und / oder nicht gewollt oder abgelehnt. Es besteht in der Menge der Arbeit und / oder der Qualität ein zu großer Anspruch an die Person. Oder aber: Die Person ist durch die Arbeit intellektuell und handwerklich unterfordert. Sie ist in den Kundenkontakten unter- oder überfordert. Ihr wird zu wenig eigener Spielraum, Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit eingeräumt oder sie wird in genau diesen Punkten überfordert. Arbeitsziele sind unklar oder unrealistisch. Die Vorgesetzten geben keine angemessene Anerkennung oder / und kritisieren in destruktiver Form. Es besteht keine eindeutige Führung oder die Führung erteilt widersprüchliche, inkonsistente Anweisungen und Botschaften. Es besteht ein negatives kollegiales Klima. Es fehlt an innerbetrieblichem beruflichem Austausch und an über die Firma hinausgehendem beruflichem Austausch. Die Interaktion zwischen der Person und dem
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