Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
sich hier nicht mehr.
Gil fuhr umsichtig, nutzte aber die relative Freiheit des Motorrads, um sich, wann immer es gefahrlos möglich war, zwischen den Autos hindurchzuschlängeln, und da es auf der M4 keine Unfälle oder Staus gab, gelangten sie einigermaßen zügig ins Zentrum von Sydney. Er nahm den Weg durch die innerstädtischen Vororte im Süden, wählte einen Zickzackkurs durch Nebenstraßen und sah häufig in den Rückspiegel– um sicherzugehen, dass ihnen niemand folgte. Bevor sie zu der Bank fuhren, müsse er den Schlüssel holen, hatte er erklärt.
Sie kamen an einer Zeile alter, nicht renovierter Reihenhäuser vorbei, deren goldene Zeit lange zurücklag. Kris hatte ein Auge darauf, ob alles in Ordnung war und ob ihnen, soweit sich das beurteilen ließ, auch niemand auflauerte. Offensichtlich kannte Gil sein Ziel und die Gegend, denn er bog in eine Seitenstraße ein, fuhr dann durch eine schmale Gasse zurück und hielt im winzigen Hinterhof eines der Häuser.
» Eine Obdachlosenunterkunft « , erläuterte er Kris, als sie abstiegen und die Helme abnahmen. » Geleitet wird sie seit Jahren von einem Priester, Simon Murchison. Ein feiner Kerl. Der Pub ist in der übernächsten Querstraße. « Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter.
Zwei Männer saßen auf der Hintertreppe in der Morgensonne, und einer von ihnen lächelte breit, als er Gil erkannte.
» Tag, Gil. «
» Tag, Phil « , erwiderte Gil in einem ansteigenden Singsang und gleichfalls lächelnd, als sei der Reim ein festes Grußritual.
Phils Lächeln, das von der kindlich-willigen Freundlichkeit beschränkter Intelligenz zeugte, wurde ein ganzes Stück breiter, und Kris fiel zum wiederholten Mal die sanfte Seite an dem sonst so verschlossenen Gil auf.
Der Zweite würdigte sie kaum eines Blickes– ein Tribut an Drogen, Alkohol oder eine psychische Erkrankung, tippte sie, wie bei so vielen Männern, die in einem solchen Asyl strandeten.
» Ist Pater Simon da? « , fragte Gil Phil.
» Ja, Gil, er ist drin. Hat den Arm in Gips. «
Das gefiel Kris gar nicht und Gil offenbar ebenso wenig, wie sie dem besorgten Blick entnahm, den er ihr zuwarf, als er durch die Tür nach drinnen eilte. Er kannte sich im Haus aus, und sie folgte ihm durch einen langen Flur in ein Büro– wo der Priester in Jeans, den linken Arm in einer Schlinge und mit blau geschlagenem Gesicht, einhändig die Papiere und Akten sortierte, die über den ganzen Boden verstreut lagen. In der Ecke türmten sich zwei zertrümmerte Holzstühle, und ein feuchter, verkohlter Fleck auf dem Teppichboden verströmte Brandgeruch.
Der Priester, der die Fünfzig deutlich überschritten hatte und dessen schwarzes Haar an vielen Stellen grau wurde, hieß Gil herzlich willkommen und stand, offenkundig unter Schmerzen, auf.
» Bitte entschuldige das Durcheinander. Wir hatten Samstagnacht Besuch. «
» Ist mit dir alles in Ordnung? « , fragte Gil.
» Ja. « Trotz der Schmerzen blitzte ihm der Schalk aus den Augen. » Die ungebetenen Besucher und ich hatten einen tiefgreifenden Meinungsaustausch, bei dem mehrere schwere Objekte zum Einsatz kamen, bis der gesteigerte Lärmpegel unsere Bewohner aufmerksam machte und sie die Eindringlinge zum Gehen veranlassten. Mein Arm hatte eine unangenehme Begegnung mit einem Stuhl, aber wenigstens ist es bei beiden ein glatter Bruch. «
Gil deutete auf die Dokumente und Papiere auf dem Boden. » Sie haben etwas gesucht? «
» Sieht ganz so aus. « Simon warf einen fragenden Blick auf Kris.
» Das ist Kris « , stellte Gil sie vor, ohne den Familiennamen oder ihre Tätigkeit zu erwähnen. » Sie weiß, was los ist. «
Der Priester schüttelte ihr kraftvoll die Hand und lächelte sie freundlich und neugierig an, er hatte die Auslassung also sehr wohl bemerkt. Aber zwischen den beiden Männern bestand sichtlich Sympathie und Achtung und so viel Vertrauen, dass er auf Aufklärung verzichtete.
Er lud sie ein, auf dem alten Ledersofa Platz zu nehmen, und setzte sich selbst auf die Schreibtischkante.
» Ich habe dir gestern ein paarmal auf die Mailbox gesprochen. Ich nehme an, du weißt, was Vince Russo passiert ist? « , fragte er Gil.
» Ja, ich weiß. Ich hatte das Handy gestern den ganzen Tag nicht an. Weißt du irgendetwas Näheres über Vince, von den offiziellen Verlautbarungen abgesehen? «
» Kaum. Es gibt Gerüchte, dass man ihm aus größerer Entfernung zweimal in die Brust geschossen hat. Die Polizei soll ein Nachbarhaus durchsucht haben.
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